Naturschutzforschung in der Praxis anwenden

(14.11.2019) Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Das sind mehr als jemals zuvor gemessen.

Dieser beispiellose Verlust der Artenvielfalt gefährdet wertvolle Ökosysteme und das menschliche Wohlergehen. Doch was hindert uns daran, Erkenntnisse aus der Naturschutzforschung in die Praxis umzusetzen?

Zu diesem Thema hat die Fachzeitschrift Biological Conservation eine Sammlung von 14 Beiträgen veröffentlicht. Ein Team um Bea Maas von der Universität Wien zeigt im Leitartikel, warum fachübergreifende Zusammenarbeit entscheidend für den Schutz der globalen Artenvielfalt ist.

Universität Wien

Die Weltbevölkerung wächst – und mit ihr der Ressourcenbedarf. Das verlangt nach konsequenten Handlungen zum Schutz der Artenvielfalt. "Das rasante Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten bedroht das natürliche Gleichgewicht unserer Umwelt sowie wertvolle Ressourcen und Leistungen, von denen unser Wohlergehen abhängt," sagt Bea Maas vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung.

Trotz umfassender wissenschaftlicher Belege und Lösungsansätze mangelt es häufig an der praktischen Umsetzung. "Es besteht ein Missverständnis unter vielen Wissenschaftlern, dass wir Probleme lösen wenn wir nur genügend Beweise schaffen und in die Hände der politischen Entscheidungsträger legen ", sagt die Co-Autorin und Mitherausgeberin Anne Toomey von der amerikanischen Pace University.

"Wir wissen jedoch aus der Verhaltensforschung, dass die Umsetzung von Forschung in die Praxis nicht ganz so einfach ist."

Mehr als Fachwissen

Eine aktuelle Sammlung von 14 Artikeln in der Zeitschrift Biological Conservation thematisiert dieses ungenutzte Potential von Fachwissen und Forschung. Über 90 AutorInnen haben zur Publikation beigetragen und zeigen, welche Herausforderungen in der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen bestehen.

Auch Lösungsansätze werden vorgestellt: "Die Arbeiten zeigen, dass WissenschaftlerInnen sich auf einen fachübergreifenden Wandel im Naturschutz vorbereiten und sich über die Vorteile für zukünftige Forschung und Praxis einig sind.

Sie machen aber auch deutlich, dass dafür mehr Berücksichtigung von Forschungsergebnissen, Unterstützung und Finanzierung nötig sind", betont der Co-Autor und Mitherausgeber Rafael Loyola von der Brasilianischen Stiftung für nachhaltige Entwicklung und der Bundesuniversität Goiás.

In ihrem Artikel gehen Maas, Toomey und Loyola drei zentralen Fragen auf den Grund: Setzen wir derzeit die richtigen Prioritäten in der Naturschutzwissenschaft? Dokumentieren und lernen wir aus unseren Fehlern und Misserfolgen? Und: Wie können wir verschiedene Perspektiven bei unseren Entscheidungen besser berücksichtigen?

Bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik und Praxis

Die Publikation beschäftigt sich mit diesen Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie beinhaltet drei globale Übersichtsarbeiten zur Rolle von Umweltbildung, Technologieanwendungen und Fehlerdokumentation im Naturschutz, sowie Fallstudien und Perspektiven zu Themen wie Datennutzung, Kostenplanung, Erfahrungsanalysen und dem Einfluss unterschiedlicher Regierungssysteme auf den Schutz von Artenvielfalt und Natur.

Einfache Antworten sind laut Maas und den Co-AutorInnen nicht zu finden. In einem Punkt sind sich die ForscherInnen jedoch einig, wie Maas betont: "Naturschutzforscher müssen lernen, die Räume zwischen Forschung und Umsetzung besser zu navigieren. Der Schlüssel dazu liegt in einer zeitnahen und verbesserten Zusammenarbeit zwischen naturschutzrelevanter Wissenschaft, Politik und Praxis".

Publikation

Maas, B., Toomey, A., Loyola, R. (2019). Exploring and expanding the spaces between research and implementation in conservation science. Biological Conservation.
DOI: 10.1016/j.biocon.2019.108290


Weitere Meldungen

Arapaima ; Bildquelle: David Ausserhofer

Erwünschte Störenfriede: Große Tiere sorgen für Vielfalt im Süßwasser

Die Zahl großer Süßwassertiere ist weltweit stark zurückgegangen, ebenso wie die Größe ihrer Verbreitungsgebiete. Die Ursachen für die Gefährdung dieser Megafauna sind weitgehend bekannt, die Folgen des Verlusts für die Ökosysteme dagegen kaum
Weiterlesen

Gefleckte Weichschildkröte (Pelodiscus variegatus) ; Bildquelle: T. Ziegler

Studie zur Verbreitung der Gefleckten Weichschildkröte liefert Basis für Schutzprogramm

Erhaltungszuchtprogramme sollen den Schutz der vom Aussterben bedrohten Gefleckten Weichschildkröte unterstützen
Weiterlesen

Weiblicher Südlicher Schweinsaffe mit Jungtier; Bildquelle: Anna Holzner

Landwirtschaftliche Nutzung von natürlichen Lebensräumen gefährdet junge Primaten

Das regelmäßige Aufsuchen von Palmölplantagen führt zu einer deutlich erhöhten Sterblichkeitsrate unter jungen Südlichen Schweinsaffen (Macaca nemestrina) in freier Natur
Weiterlesen

Hoogmoed´s Harlekin-Kröte; Bildquelle: Jaime Culebras/Photo Wildlife Tours

40 Prozent aller Amphibienarten vom Aussterben bedroht

Eine Fallstudie in der Biogeographie der Universität Trier zu Harlekin-Kröten zeigt aber auch Erfolge von Schutzmaßnahmen auf
Weiterlesen

Saiga-Männchen; Bildquelle: Daniel Rosengren / ZGF

Erfolg für den Artenschutz: Die Saiga-Antilope ist nicht mehr 'vom Aussterben bedroht'

Diese positive Statusänderung in der Roten Liste spiegelt die bemerkenswerte Erholung der Art in Kasachstan wider. Zurückzuführen ist das auf konsequente und koordinierte Bemühungen zur Erhaltung der Art
Weiterlesen

Universität Zürich

Stark bedrohte Haie und Rochen sind unzureichend geschützt

Haie und Rochen sind die am stärksten bedrohte Gruppe der marinen Wirbeltiere. Ihre Funktionen im Ökosystem haben Forschende unter der Leitung von UZH-Professorin Catalina Pimiento nun in einer internationalen Studie zu einem entscheidenden Kriterium für den Artenschutz gemacht
Weiterlesen

Technische Universität Berlin

Ein Fünftel der Tiere und Pflanzen in Europa bedroht

Umweltplanerin Melanie Bilz erklärt im Interview die Hintergründe zu den alarmierenden Zahlen einer kürzlich u.a. von ihr veröffentlichten internationalen Studie
Weiterlesen

Naturphotographen weltweit teilen ihre Aufnahmen zur Biodiversität in den sozialen Medien – ein riesiges Potenzial auch für die Biodiversitätsforschung.; Bildquelle: Sultan Ahmed

Wie Soziale Medien zum Artenschutz beitragen können

Fotos von Tier- und Pflanzenarten, die in den Sozialen Medien geteilt werden, können einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten – vor allem in tropischen Gebieten
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen