Wie Mäuse Farben sehen: Göttinger Forscher finden Zellen für Farbinformationen in Mäuseaugen
Forscher der Universitätsmedizin Göttingen haben untersucht, wie Nervenzellen im Auge auf unterschiedliche Farbkombinationen reagieren. In Augen von Mäusen fanden sie spezielle Zellen, die besonders gut auf Kontraste zwischen grünem und ultraviolettem Licht reagieren.
Dies könnte die Tiere in die Lage versetzen, den Horizont deutlich wahrzunehmen und als Orientierungshilfe zu verwenden. Veröffentlicht wurden diese neuen Erkenntnisse im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“.
Der menschliche Sehsinn nutzt Licht, um komplexe Szenerien in einzelne Objekte zu zerlegen. Für das Erkennen von Objekten ist einerseits die Unterscheidung zwischen hellen und dunklen Bereichen von Bedeutung. Aber auch die Verteilung von Farben bestimmt, wie leicht unterschiedliche Objekte erkannt und von-einander unterschieden werden können.
Rote Früchte im grünen Laub eines Baumes oder blaue Blüten auf einer Wiese zu erkennen, das gelingt sogar bei Schatten und veränderter Helligkeitsverteilung. Der Ursprung dieser Farbwahrnehmung liegt in unterschiedlichen Lichtrezeptoren im Auge, die jeweils leichter auf blaues, grünes oder rotes Licht reagieren.
Aus den Erregungszuständen dieser Lichtrezeptoren können nachgeschaltete Nervenzellen im Auge und im Gehirn dann die Farbkomponenten eines wahrgenommenen Bildes berechnen.
Auch viele Tiere haben unterschiedliche Lichtrezeptoren im Auge und damit prinzipiell die Möglichkeit, Farben zu unterscheiden. Wobei jedoch häufig nicht klar ist, inwieweit sie davon tatsächlich Gebrauch machen. In Augen von Mäusen haben die Wissenschaftler an der Klinik für Augenheilkunde der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) nun spezielle Zellen entdeckt.
Dr. Mohammad Khani und Prof. Dr. Tim Gollisch fanden heraus, dass diese Zellen die Farbinformationen von unter-schiedlichen Lichtrezeptoren auf ungewöhnliche Weise kombinieren. Die Zellen könnten den Tieren dadurch spezielle Farbinformationen zugänglich machen.
Unterstützt wurde die Forschung durch die europäische Forschungsförderung des European Research Council und durch den Göttinger Sonderforschungsbereich 889 „Zelluläre Mechanismen Sensorischer Verarbeitung“. Die Ergebnisse sind jetzt im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Mäuse besitzen unterschiedliche Lichtrezeptoren, die entweder besonders empfindlich sind für grünes Licht oder aber für ultraviolettes (UV) Licht, das für das menschliche Auge nicht sichtbar ist. Die untersuchten Nervenzellen im Auge von Mäusen kombinieren die Signale beider Arten von Lichtrezeptoren derart, dass bestimmte Farbübergänge speziell diese Zellen aktivieren.
„Besonders gut reagieren diese Farbdetektoren auf Übergänge zwischen der ultravioletten Strahlung des Himmels und dem Grün der Vegetation“, sagt Prof. Dr. Tim Gollisch, Senior-Autor der Publikation. „Auf diese Weise könnten sie den Tieren ein Signal zur räumlichen Orientierung liefern.“
Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass diese Zellen sich vorwiegend im unteren Teil der Netzhaut befinden, der gen Himmel gerichtet und dem von dort ausgehenden UV-Licht ausgesetzt ist. „Einen derartigen Unterschied zwischen oberer und unterer Hälfte der Netzhaut kennen wir vom menschlichen Auge bisher nicht“, sagt Dr. Mohammad Khani, Erst-Autor der Publikation.
„Noch fehlt es uns an Informationen darüber, wie die unterschiedlichen Arten von Nervenzellen im menschlichen Auge komplexe Bilder verarbeiten“, sagt Prof. Gol-lisch. „Die neuen Erkenntnisse aus dem Auge der Maus können wertvolle Hinweise geben, welche Zelleigenschaften und Verarbeitungsschritte zu erwarten sind und wie diese untersucht werden können“, so Gollisch. Die Wissenschaftler hoffen, dass sich durch zukünftige Forschung klärt, ob ähnliche Verarbeitungsschaltkreise auch im menschlichen Auge zu finden sind.
Publikation
Khani MH, Gollisch T (2021). Linear and nonlinear chromatic integration in the mouse retina. Nature Communications 12(1):1900. doi: 10.1038/s41467-021-22042-1.
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