Kängurus klettern bereits in der Gebärmutter

(18.03.2013) Einem Forschungsteam aus Deutschland und Australien gelang erstmals die Ultraschalluntersuchung der Trächtigkeit eines Kängurus. Die ForscherInnen entdeckten, dass wesentliche Unterschiede zur Trächtigkeit von Plazentatieren bestehen.

Die Ultraschallaufnahmen zeigten, dass der Fötus seine Armmuskulatur bereits in der Gebärmutter trainiert, indem er Kletterbewegungen ausführt. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in dem Wissenschaftsjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.


Wallabys werden als Fötus geboren und reifen dann im Beutel der Mutter heran

„Hintergrund der Untersuchungen war es, zu verstehen, wie sich die kurze Trächtigkeit der Beutelsäuger von der der Plazentatiere unterscheidet“, so Dr. Barbara Drews vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW).

Erstmals nahmen WissenschaftlerInnen vom IZW Berlin und den Universitäten Melbourne und Sydney in Australien mit Hilfe hochauflösender Ultraschalluntersuchungen in Echtzeit Einblicke in die Gebärmutter einer Känguruart, des Tammar-Wallaby, bei einer Schwangerschaft.

So konnten die ForscherInnen beobachten, wie sich der Embryo von einem etwa 100-zelligen Stadium innerhalb von nur 26 Tagen bis zur Geburt entwickelte. Die Blastozyste, ein sehr frühes Entwicklungsstadium des Embryos, konnte bereits ab einer Größe von etwa 1,5 mm im Ultraschall dargestellt werden.

Erstaunlich war die Feststellung, dass die Gebärmutter sich während der Trächtigkeit ständig bewegte und den Embryo dadurch hin- und herrollte. Derartig starke Kontraktionen der Gebärmutter werden  bei Plazentatieren nicht beobachtet und hormonell sogar unterbunden, um eine ungestörte Einnistung des Embryos zu ermöglichen.

Die Bewegung des Känguruembryos könnte für eine adäquate Ernährung durch mütterliche Sekrete hilfreich sein, da eine Anheftung des Embryo an die Gebärmutterwand und die anschließende Entwicklung der Plazenta erst im letzten Drittel der Trächtigkeit erfolgt.

„Interessant war die Beobachtung, dass Kletterbewegungen schon drei Tage vor der Geburt in der Gebärmutter ausgeführt werden“, kommentiert Dr. Kathleen Röllig vom IZW. Im Gegensatz zu erwachsenen Tieren sind beim Fötus des Kängurus die Arme bereits stark entwickelt, während die Hinterbeine nur als Anlage vorhanden sind.

Es ist sehr erstaunlich, dass  solch koordinierte Bewegungen in einem so frühen Entwicklungsstadium des Fötus bereits derart komplex ausgeführt werden; bei Plazentatieren ist das nicht der Fall.


Wallabys sind mit drei bis vier Kilo eine kleine Känguru-Art, also etwa so groß wie unsere einheimischen Feldhasen
Dieses frühe Training ermöglicht es dem bei der Geburt nur 0,4 Gramm leichten Jungtier, den Weg von der Öffnung des Geburtskanals bis zur Zitze im Beutel der Mutter selbstständig zurückzulegen.

Das sehr kleine Jungtier saugt sich nun an einer Zitze fest und verharrt daran für die nächsten 9 Monate. Im Unterschied zu den Plazentatieren spielt sich der Hauptteil der Weiterentwicklung des Fötus außerhalb des Mutterleibs im Beutel der Mutter ab, ist wissenschaftlichen Untersuchungen leicht zugänglich und daher bereits detailliert beschrieben. In dieser Studie wurde nun auch die embryonale Entwicklung in der Gebärmutter am lebenden Tier dargestellt.

Dabei zeigte sich, dass das embryonale Wachstum nach einem strikten Zeitplan abläuft. Dies ermöglichte es den Forschern auch, den genauen Geburtszeitpunkt bei Wallabymüttern vorherzusagen.

Die Ultraschalluntersuchung beim Tammar Wallaby sind eine besondere Herausforderung, da spezielle anatomische Gegebenheiten zu beachten sind: Kängurus haben im Unterschied zu Plazentatieren drei Vaginas und zwei Gebärmütter und die ultrasonographische Orientierung ist nicht immer einfach.

Das Tammar Wallaby, Macropus eugenii, ist ein kleiner Vertreter der über 50 Känguruarten, mit einer mittleren Körpergröße von 3 bis 4 kg, also einer ähnlichen Größe wie der einheimische Feldhase.

Die in dieser Studie aufgezeigten Besonderheiten der kurzen Embryonalentwicklung des Tammar Wallaby können als beispielhaft für andere Beuteltiere gelten. Im Vergleich mit Plazentatieren haben Beuteltiere extrem kurze Trächtigkeiten von 10 bis maximal 38 Tagen und bringen Jungtiere zur Welt, die noch als Föten eingestuft werden müssen, also noch nicht voll entwickelt sind.

Warum und wie sich im Laufe der Evolution diese sehr unterschiedlichen, aber gleichermaßen erfolgreichen Reproduktionsstrategien entwickelt haben, gibt noch viele Fragen und Rätsel für zukünftige Forschungsprojekte auf.

Publikation

Drews B, Roellig K, Menzies BR, Shaw G, Buentjen I, Herbert CA, Hildebrandt TB, Renfree MB (2013): Ultrasonography of wallaby prenatal development shows that the climb to the pouch begins in utero. Scientific Reports 3:1458. doi: 10.1038/srep01458



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