Weniger Landwirtschaftsvögel wegen zu dichter Bodenvegetation

(13.10.2010) Dichte Bodenvegetation könnte den Rückgang von Insekten fressenden Vögeln im Landwirtschaftsland erklären. Wie Forschende der Universität Bern und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach herausgefunden haben, sind die Vögel auf offene Flächen im Kulturland angewiesen, um genügend Nahrung erbeuten zu können.

Gartenrotschwanz, Heidelerche, Wendehals, Wiedehopf: Die Bestände all dieser für das Landwirtschaftsland typischen Vogelarten zeigen in ganz Mitteleuropa seit Jahrzehnten starke Abnahmen. Auch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen, welche die Biodiversität im Landwirtschaftsland fördern sollen, konnten den katastrophalen Rückgang nicht bremsen.

Eine Forschergruppe vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und der Vogelwarte Sempach unter der Leitung von Michael Schaub und Raphaël Arlettaz hat nun eine mögliche Erklärung gefunden: Weil offene Bodenstellen im landwirtschaftlich genutzten Grünland weitgehend fehlen, können Vögel keine Insekten mehr erbeuten.


Der Wiedehopf ist eine der bedrohten Vogelarten

Mithilfe von winzigen Telemetriesendern haben die Forschenden das Nahrungssuchverhalten der vier Arten in verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen (Niederstamm- und Hochstammobstgärten, Reben) detailliert untersucht. Die Resultate, die in der Zeitschrift «PLoS ONE» publiziert wurden, waren eindeutig: Der Hauptfaktor, der bestimmt, wo die Vögel ihre Nahrung finden, war die Struktur der Bodenvegetation.

In allen untersuchten Kulturen zeigten die Vögel eine starke Bevorzugung für Orte, deren Bodenvegetation lückig war, also ein Mosaik von unbewachsenen und bewachsenen Stellen aufwies. Der offene Boden ermöglicht es den Vögeln, Insekten zu erbeuten, während die nahe Vegetation sicherstellt, dass sich Insekten entwickeln können.

Anpassung der Massnahmen gefordert

Heute weisen viele Hochstammobstgärten eine viel zu dichte Bodenvegetation auf. Die Vögel können keine Beute mehr erhaschen und wandern ab oder verhungern gar. Paradoxerweise überleben einige dieser seltenen Vogelarten in sehr intensiv bewirtschafteten Kulturen wie Niederstammanlagen. Hier profitieren sie von der mechanischen oder chemischen Entfernung der Bodenvegetation unter den Stämmen.

Zurzeit gibt es in der Schweiz und europaweit keine ökologische Ausgleichsmassnahme, die eine lückige Bodenvegetation aktiv fördert oder schafft. Die Forschenden schlagen deshalb vor, die Massnahmen entsprechend anzupassen.

«Falls es gelingt, zum Beispiel in Hochstammobstgärten wieder nennenswerte Flächen mit lückiger Bodenvegetation zu schaffen, können sich die Bestände vieler Vogelarten vielleicht wieder erholen», gibt Professor Raphael Arlettaz seiner Hoffnung Ausdruck. Auch die Rebflächen weisen diesbezüglich ein grosses Potenzial auf – sie sollten teilweise, aber nicht vollständig begrünt werden.

Quellenangabe:
Michael Schaub, Nicolas Martinez, Aline Tagmann-Ioset, Nadja Weisshaupt, Melanie L. Maurer, Thomas S. Reichlin, Fitsum Abadi, Niklaus Zbinden, Lukas Jenni, Raphaël Arlettaz: Patches of Bare Ground as a Staple Commodity for Declining Ground-Foraging Insectivorous Farmland Birds. PLoS ONE, Oktober 2010, doi:10.1371/journal.pone.0013115

Weitere Meldungen

Die frugivore Rotbauchdrossel (Turdus rufiventris) ist ebenfalls ein aktiver Samenverbreiter.; Bildquelle: Mathias Pires

Tropische Wälder brauchen zur natürlichen Regeneration fruchtfressende Vögel

Fruchtfressende Vögel spielen eine wichtige Rolle in den Waldökosystemen, insbesondere im Atlantischen Regenwald in Brasilien. Wildlebende Vögel können das Kohlenstoffpotenzial in sich regenerierenden tropischen Wäldern um bis zu 38 Prozent erhöhen
Weiterlesen

Die Diversität der Vögelgenome.; Bildquelle: Bilder: Jon Fieldsa. Design: Josefin Stiller.

Mit Algorithmen die Evolution der Vögel besser verstehen

Im Jahr 2014 erschien im Fachjournal „Science“ ein Artikel über den Stammbaum der Vögel, in dem Algorithmen und Supercomputer eine wichtige Rolle für die evolutionsbiologische Forschung für alle Arten von Lebewesen zukam
Weiterlesen

Das Brutfloß für die jungen Flussseeschwalben; Bildquelle: WWF/Walther Gastinger

Brutfloß soll Überleben der Flussseeschwalbe sichern

Die letzte Brutkolonie der Flussseeschwalbe im Osten Österreichs befindet sich in der Nähe des WWF-Auenreservats Marchegg in Zwerndorf.
Weiterlesen

Mehlschwalbe; Bildquelle: Marcel_Burkhardt

Sorgsamer Umgang mit Gebäudebrütern

Manche Vogelarten bauen ihre Nester an oder auf Gebäuden. Dabei können Interessenskonflikte zwischen den Bedürfnissen des Vogels und menschlichen Ansprüchen entstehen
Weiterlesen

Goldammer; Bildquelle: Hans Glader

Vögeln in der Agrarlandschaft gezielt unter die Flügel greifen

Die Intensivierung der Landwirtschaft hat ihren Preis: Sie macht Landschaften strukturell einheitlicher und trägt so zum Rückgang der biologischen Vielfalt bei.
Weiterlesen

Ruhr-Universität Bochum

Warum Vögel so schlau sind

Die vergleichende Arbeit der Neurowissenschaftler des Sonderforschungsbereiches „Extinktionslernen“ der Ruhr-Universität Bochum trägt auch dazu bei, das Rätsel um die allgemeinen neurobiologischen Prinzipien der Intelligenz zu lösen
Weiterlesen

Schweizerischen Nationalfonds (SNF)

Vögel stossen bei ihrer Flucht vor der Klimaerwärmung auf Berg und Meer

Eine aktuelle Studie zeigt, dass europäische Vögel, die wegen der Klimaerwärmung in kühlere Gebiete ziehen wollen, durch natürliche Hindernisse gebremst werden
Weiterlesen

Mikro-CT-Scans eines Halswirbels; Bildquelle: Senckenberg

Fossile Vogel-Halswirbel mit knotenförmigen Verdickungen

Dr. Gerald Mayr hat gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam ungewöhnliche Skelett-Strukturen verschiedener europäischer Vogel-Fossilien aus dem Eozän untersucht
Weiterlesen

Wissenschaft

Universitäten

Neuerscheinungen