Hochpathogene Influenzaviren frühzeitig erkennen

(22.06.2015) Multidisziplinäre Forschergruppe entwickelt Methode zur Abschätzung des pandemischen Risikos von Vogelgrippeviren

Der Mangel an wirksamen antiviralen Medikamenten und Impfstoffen bei der Influenza-A-Virus (IAV)-Pandemie im Jahre 2009, die Ebolavirus(EBOV)-Epidemie in Westafrika, sowie der derzeitige Ausbruch des „Middle Eastern Respiratory Syndrome“-Coronavirus (MERS-CoV) zeigen, dass die Welt nur ungenügend auf das Auftreten neuer Infektionskrankheiten vorbereitet ist und die wirksame Bekämpfung solcher Bedrohungen noch immer eine große Herausforderung darstellt.

Hochpathogene Vogelgrippeviren des H5N1-Typs sind eine sehr ernste Bedrohung für den Menschen. Diese aviären Influenzaviren werden zwar bislang nur vereinzelt auf Menschen übertragen, führen dann aber zu Erkrankungen mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 60 Prozent.

Es gibt Hinweise darauf, dass sich die H5N1-Viren durch Mutationen weiterentwickeln und zunehmend leichter auf den Menschen übertragen werden können. Das gilt insbesondere für H5N1-Viren in Ägypten - ein Gebiet, das sich zu einem möglichen Epizentrum einer neuen Influenzapandemie entwickeln könnte.

Ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen der Evolution von Influenzaviren ist daher von zentraler Bedeutung für die frühzeitige Erkennung von hochpathogenen Influenzaviren und die effiziente Bekämpfung und Eindämmung möglicher Epidemien oder gar Pandemien.

Eine multidisziplinäre Forschergruppe, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), hat nun ein Werkzeug entwickelt, mit dem sich das pandemische Potenzial von Influenzaviren vorhersagen lässt.

Die Forschergruppe aus Deutschland und Serbien hat durch die kombinierte Anwendung einer rechnergestützten Technik (ISM) und molekularvirologischer Methoden ein Werkzeug entwickelt und validiert, mit dem man mögliche biologische Auswirkungen von natürlich vorkommenden Mutationen, wie sie beispielsweise in H5N1-Viren in Ägypten gefunden wurden, einschätzen kann.

So lassen sich mit der ISM-Technik unter den zahlreichen Influenzaviren, die in Vögeln oder anderen tierischen Wirten zirkulieren, diejenigen Viren identifizieren, die besonders effizient auf den Menschen übertragen werden können und damit möglicherweise ein pandemisches Potential besitzen.

Beteiligt an der Forschergruppe sind das Institut für Medizinische Virologie (JLU), das Georg Speyer Haus – Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie (Frankfurt am Main), das Robert-Koch-Institut, Abteilung für HIV und andere Retroviren (Berlin) sowie das Zentrum für Multidisziplinäre Forschung, Institut für Nuklearwissenschaft VINCA (Belgrad, Serbien).

Trotz vielfältiger Fortschritte in den vergangenen Jahren gibt es nach wie vor große Wissenslücken hinsichtlich der Genetik, Epidemiologie und Pathobiologie von H5N1-IAV im Menschen. „Unsere Daten eröffnen die Möglichkeit, ein neues Werkzeug für die Abschätzung des mit spezifischen Influenzaviren verbundenen pandemischen Risikos zu entwickeln“, so Prof. Dr. Stephan Pleschka (Institut für Medizinische Virologie der JLU), Hauptautor der Studie.

„Es könnte damit zu einer besseren Vorbereitung gegen mögliche Pandemien beitragen. Das betrifft speziell die Entwicklung eines prä-pandemischen Impfstoffes, der dazu beitragen könnte, die negativen Auswirkungen von neu auftretenden Influenzaviren zu verhindern.“

Publikation

„In silico prediction and experimental confirmation of HA residues conferring enhanced human receptor specificity of H5N1 influenza A viruses", von S. Schmier, A. Mostafa, T. Haarmann, N. Bannert, J. Ziebuhr, V. Veljkovic, U. Dietrich, S. Pleschka; erschienen am 19. Juni 2015 im Journal „Scientific Reports“ der Nature Publishing Group
DOI: 10.1038/srep11434



Weitere Meldungen

KAPPA-FLU-Konsortium

Was steckt hinter der Dynamik der Vogelgrippe?

KAPPA-FLU-Konsortium gestartet; noch nie hat das hochpathogene aviäre Influenzavirus (HPAIV) des Subtyps H5 in einem solchen Ausmaß zirkuliert und so viele Spillover-Infektionen bei Säugetieren verursacht
Weiterlesen

D-Segmentierung verschiedener Strukturen; Bildquelle: Petr Chlanda

Das Virus in eine Falle locken

Heidelberger Forscher beschreiben Mechanismen, die bei der Verhinderung von Infektionen durch Influenza-A- und Ebola-Viren eine Rolle spielen könnten
Weiterlesen

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Neuer Wirkstoff hemmt Influenza-Virus-Replikation

Viren nutzen das molekulare Repertoire der Wirtszelle, um sich zu vermehren
Weiterlesen

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)

Influenza in der Schwangerschaft begünstigt erhöhte Infektanfälligkeit der Nachkommen

Die nun in „Nature Communications“ erschienene Studie zeigt mittels eines neuen Two-Hit-Mausmodells, dass eine moderate Influenza in der Schwangerschaft die Infektanfälligkeit der Nachkommen gegenüber anderen Viren sowie Bakterien besonders im frühen Leben erhöht
Weiterlesen

Pferd

Influenzaschutz beim Pferd – ist eine Stammdiskussion überfällig? 

Die Equine Influenza (EI) ist eine hoch-ansteckende Atemwegserkrankung, gegen die man am besten mit regelmäßiger Impfung vorbeugen kann
Weiterlesen

Junge Hausschweine im Stall; Bildquelle: W. Maginot, Friedrich-Loeffler-Institut

Schweinehaltungen als Reservoir für neue Grippeviren mit präpandemischem Potenzial

Schweinehaltungen bilden wichtige Reservoire für eine zunehmende Anzahl diverser Influenzaviren, die teilweise auf den Menschen übergehen können und möglicherweise präpandemisches Potenzial besitzen
Weiterlesen

Phagenhülle dockt an und inhibiert das Influenza-Virus; Bildquelle: Barth van Rossum, FMP

Phagen-Kapsid gegen Influenza: Passgenauer Inhibitor verhindert virale Infektion

Ein neuer Ansatz macht Hoffnung auf neue Therapieoptionen gegen die saisonale Influenza und Vogelgrippe
Weiterlesen

Universitätsklinikum Freiburg

Influenza-Viren anpassungsfähiger als gedacht

Influenza-Virus aus Fledermäusen besitzt überraschend hohe Anpassungsfähigkeit - Übertragungseffekte zu anderen Tieren und Menschen schwer einschätzbar
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen