Fliegen als Überträger antibiotikaresistenter Keime

(11.04.2018) Kuhfladen, Schweinemist, Schlachtabfälle – was für den Menschen eher unappetitlich daherkommt, ist für so manche Fliege im wahrsten Sinne ein gefundenes Fressen

Genau diese nehmen über die Ausscheidungen der Nutztiere auch die Insekten auf. Da Fliegen ebenfalls Kontakt zu Menschen haben, sind sie so ein „idealer“ Überträger von Erregern.

Wissenschaftler der Universität Münster haben daher nun gemeinsam mit einem internationalen Team die Bedeutung der Schmutzfliege bei der Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien genauer beleuchtet.


Prof. Frieder Schaumburg und Francis Onwugamba, PhD-Student aus Nigeria, bei der Untersuchung einer Fliege

In zwei Treffen in Amsterdam und Wien diskutierten sie alle bisher verfügbaren Forschungsarbeiten zum Thema und veröffentlichten ihre Ergebnisse jetzt im Fachmagazin Travel Medicine and Infectious Disease.

Schon 2016 hatte eine münstersche Studie gezeigt: In der ländlich geprägten Region sind bis zu 20 Prozent aller Fliegen mit resistenten Keimen wie Escherichia coli (ESBL-produzierende E.-coli) besiedelt, die beim Menschen beispielsweise starke, schwer zu behandelnde Infektionen auslösen können.

„Mit unserer damaligen Arbeit konnten wir nachweisen, dass die Bakterien der untersuchten Fliegen häufig dieselben Resistenzgene trugen wie die Bakterien bei unseren Patienten. Da lag ein Zusammenhang nahe - der bis dahin aber noch nicht sicher belegt war“, erklärt Prof. Frieder Schaumburg vom Institut für Medizinische Mikrobiologie.

Um der Frage nach der Rolle von „filth flies“ („Schmutzfliegen“) – also Fliegen, die Exkremente und verrottendes Material zur Ernährung sowie zur Eiablage nutzen – als Überträger auch anderer antibiotikaresistenter Keime weiter nachzugehen, trafen sich nun Mikrobiologen, Infektiologen, aber auch Veterinärmediziner und Entomologen (Insektenexperten) zu Workshops in Amsterdam und Wien.

Die Experten – unter anderem aus Gabun, Kanada und Dänemark – trugen alle bisher verfügbaren Forschungsergebnisse zusammen und diskutierten sie interdisziplinär – mit klarem Ergebnis: „Auf Fliegen sind sämtliche Antibiotikaresistenzen nachzuweisen, vor denen sich Mediziner heute fürchten.

Dazu gehört beispielsweise der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus – besser bekannt als der gefürchtete „Krankenhauskeim“ MRSA. Außerdem konnten wir nachweisen, dass die antibiotikaresistenten Bakterien von Fliegen, Menschen und Tieren nahezu identisch sind. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass Fliegen bei der Verbreitung eine wichtige Rolle spielen“, so Workshop-Leiter Schaumburg.

Vor voreiligen Schlüssen warnt der Mikrobiologe dennoch: „Es braucht noch viel Forschungsarbeit, um zu prüfen, welchen Anteil resistente Erreger von Fliegen tatsächlich bei den Infektionszahlen in Krankenhäusern und Arztpraxen haben.

Schon jetzt werden wir uns aber auch mit wirksamer, ökologisch sinnvoller Schädlingsbekämpfung beschäftigen müssen.“ Unterstützt wurde das internationale Team um Schaumburg durch das EU-Projekt Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance, kurz JPPIAMR, und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die die Zusammenarbeit mit über 40.000 Euro förderten.

Ppublikation

Onwugamba F. et al.: The role of ‘filth flies’ in the spread of antimicrobial resistance. Travel Medicine and Infectious Disease 2018, DOI: https://doi.org/10.1016/j.tmaid.2018.02.007



Weitere Meldungen

Abgabemengen von Antibiotika; Bildquelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Abgabemengen von Antibiotika in Tiermedizin gehen weiter zurück

Weiterer Rückgang auch bei Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3. und 4. Generation sowie bei Polypeptidantibiotika
Weiterlesen

Universität Göteborg

Abwasser ist ein stärkerer Nährboden für Antibiotikaresistenzen als bisher bekannt

Abwasser ist ein stärkeres Umfeld für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen als bisher bekannt
Weiterlesen

Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2021; Bildquelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Deutlich geringere Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin

Mengen für Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Makrolide und Polypeptidantibiotika auf niedrigstem Wert seit 2011
Weiterlesen

Schweizerischer Bundesrat

Antibiotikavertrieb ging auch 2021 zurück

Die Gesamtmenge vertriebener Antibiotika zur Behandlung von Tieren in der Schweiz hat 2021 weiter abgenommen
Weiterlesen

Bundesrat

Der Bundesrat will die Antibiotikaresistenzen eindämmen und die Versorgung mit Tierarzneimitteln verbessern

Der Bundesrat hat am 3. Juni 2022 die Anpassung der Tierarzneimittelverordnung verabschiedet
Weiterlesen

Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin; Bildquelle: BVL

Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin 2020 leicht gestiegen

Mengen für Polypeptidantibiotika und Cephalosporine der 3. und 4. Generation auf niedrigstem Wert seit 2011, leichter Anstieg bei Fluorchinolonen
Weiterlesen

Tierärzteverband startet Unterschriftenkampagne gegen weitreichendes Antibiotikaverbot

Offener Brief von Siegfried Moder an Martin Häusling

Offener Brief von bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder an MEP Martin Häusling zu seiner Pressemitteilung vom 10. September
Weiterlesen

Tierärzteverband startet Unterschriftenkampagne gegen weitreichendes Antibiotikaverbot

Drohendes EU-Antibiotikaverbot für Tiere: Tierärzteverband bittet Baerbock, Habeck, Laschet und Söder um Klarstellung

Das Europaparlament entscheidet im September, ob vier für die Human- und Tiermedizin gleichermaßen wichtige antibiotische Wirkstoffklassen für die Behandlung von Tieren verboten werden sollen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen