Fallbericht: Teilresektion des Unterkiefers einer Katze aufgrund eines Ameloblastoms
Eine Europäisch Kurzhaarkatze, weiblich kastriert, 3 Jahre alt mit einem Körpergewicht von 3,1 kg wurde uns vorgestellt. Der Besitzer bemerkte eine Unterkieferschwellung ein paar Wochen vor der Präsentation in unserer Zahnklinik.
Der behandelnde Tierarzt führte eine tiefe Gewebebiopsie durch, welche die Diagnose Epulis fibromatosa ergab. Hierbei handelt es sich um eine Form von Epuliden die kein invasives Wachstum aufweist und die Knochenstruktur nicht angreift.
Die klinische Untersuchung stellte schon den Verdacht eines Ameloblastoms in den Raum, da diese Epulidenart sehr wohl die Knochenstruktur verändert und sehr invasives Wachstum aufweist.
Nach der Mandibulektomie bestätigte der Pathohistologe unseren Verdacht und klassifizierte den Tumor als ein Ameloblastom des mulitzystischen Subtyps. Dieser Tumor ist als canines peripheres Ameloblastom, canines acanthomatöses Ameloblastom oder acanthomatöse Epulis auch bekannt.

Man unterscheidet drei klinische Subtypen des Ameloblastoms: einzystisch, vielzystisch und peripher.
Typisch für alle Ameloblastomtypen ist ein aggressives Wachstum, welches invasiv in alle Körperstrukturen, inklusive Knochen, vordringt, aber nicht zur Metastasierung neigt.
Um einem Rezidiv vorzubeugen, muss die chirurgische Entfernung des betroffenen Areals mindestens einen Zentimeter gesundes Gewebe miteinschließen. Eine in solchem Maße durchgeführte chirurgische Intervention ist adäquat und kurativ.
Epulis ist der klinische Name für eine Schwellung des Zahnfleisches. Die meisten Epuliden entstehen durch chronische Entzündungen aufgrund wiederholter Traumatisierung des Zahnfleisches.

Unterschiedliche Zellstrukturen, wie das Peroidontale Ligament, die Gingiva oder das Epithel der Mundhöhle, reagieren auf die chronische Entzündung mit der Bildung von Granulationsgewebe, welche zur lokalen Überwucherung (Hyperplasie) des Zahnfleisches führt.
Das Wachstum kann trotz hochgradiger Umfangsvermehrung benignen Charakter aufweisen. Gelegentlich entarten sie und zeigen anhand ihres invasiven Wachstums ihre Malignität. Selten, wie beim Fibrosarkom, streuen sie in die Lymphknoten.
Aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens von Zahnfleischwucherungen, sollte vor einer chirurgischen Entfernung immer eine Biopsie durchgeführt werden.

Die Maulhöhle ist eine gängige Lokalisation für Neoplasien bei der Katze, zu Buche schlagend mit 10% aller felinen Tumoren. Der häufigste bösartige Maulhöhlentumor bei der Katze ist das Plattenepithelkarzinom.
Das Ameloblastom, früher bekannt als Adamantinom, ist eine seltene Neoplasie, welche auch die Zahnstrukturen der Katze angreift. In den meisten Fällen handelt es sich um ein gutartiges Wachstum, aber es wird ebenso vom Vorkommen einer bösartigen, hochgradig invasiven Form berichtet, welche meist bei älteren Tieren auftritt.

Symptome und Erscheinungsform: Das Ameloblastom ist für gewöhnlich benigne und gut abgrenzbar. Es wird als eine feste und glatte Masse beschrieben, die das Zahnfleisch umgibt.
Causa: Die exakte Ursache ist bis jetzt nicht bekannt, sie wird als idiopathisch eingestuft.
Diagnose: Es wurde ein komplettes Blutbild, inklusive einem chemischen Blutbild, einem Differentialblutbild und einer Urinanalyse angefertigt. In den meisten Fällen sind die Ergebnisse der Labortests innerhalb der Normbereiche und keine Anomalitäten im Zusammenhang mit dieser Neoplasie feststellbar.
Röntgenaufnahmen vom Schädel können hilfreich sein, zur Abschätzung des Eindringens der Neoplasie in die Knochenstrukturen. Eine Computertomographie erzielt feinere Ergebnisse und kann beim Erstellen des Behandlungsplanes zielführend sein.
Das Kopfröntgen ist gut, ermöglicht aber keine präzise Aussage über die Ausdehnung des Tumors (Bild2). Ein besseres und detaillierteres Bild erhält man durch eine digitale intraorale Aufnahme.

Der erhebliche mulitlokuläre und multizystische Aspekt beginnt beim linken Caninus (303 nach der Triadan Nomenklatur) und erstreckt sich bis zum ersten Molaren derselben Mandibulaseite (308), wie man im Bild 3 sehen kann.
Chirurgischer Eingriff: Der Patient wurde seitlich gelagert. Die betroffene Seite des linken Unterkiefers ist sichtbar im Bild 1.
Ein lokaler Nervenblock (Lokalanästhesie) wurde am N. alveolaris inferior mit Ubistesin 4% (Articaine hydrochloride 4% mit Adrenalin 1:200.000) mit einer feinen Nadel beim Foramen alveolaris inferior an der medialen Seite der Mandibula durchgeführt.
Nach lokaler Rasur und Desinfektion der Operationsseite, folgte die Präparation der Haut, sowie der darunterliegenden Gewebe mit besonderer Sorgfalt um den sublingualen und mandibularen Speicheldrüsengang, der sich unter dem Zungenkörper bei der sublingualen Karunkel befindet, nicht zu verletzen.

Die Mandibula wurde zuerst auf Höhe der mandibularen Symphyse mit einer Horico Diamantscheibe unter Verwendung eines Handstückes mit niedriger Drehzahl, unter ständiger Kühlung mit Ringerlösung um einen hyperthermischen Schaden des Knochen zu verhindern, durchtrennt (Bild 4).
Die distale Durchtrennung des betroffenen Segmentes wurde durchgeführt mit einer Hochgeschwindigkeitsturbine und einem Stahlkugelbohrer unter kontinuierlicher Spülung (Bild5) unter Einhaltung eines 1 cm breiten Sicherheitsrandes im gesunden Gewebe.
Das separierte Mandibulastück wurde dann angehoben und nach vorsichtiger Präparation des verbliebenen Weichteilgewebes entfernt.

Das mulitzystische Erscheinungsbild dieses Ameloblastoms kann mit einer periodontalen Sonde (Bild 7) deutlich gezeigt werden.
Das freigelegte Gebiet der Mandibula wurde in 2 Schichten mit einfachen Knopfnähten unter der Verwendung eines mittelschnell resorbierbaren Nahtmaterials (PGC monofilament 4/0) verschlossen.

Da sich die Mandibula nun gegen die Mittellinie verschiebt und gleichzeitig eine Malocclusion ein häufiger Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist, wurde eine Kronenamputation des Caninus (403) und eine routinemäßige Vital Pulpektomie mit verschließen der Pulpa mit Glasionomer Füllungszement und lichthärtendem Composite durchgeführt, um eine Verletzung des Gaumens zu verhindern.
Die Katze erholte sich postoperativ rasch und diese Tatsache wird im Bild 8 gezeigt.
Ein angemessenes Schmerzmanagement und eine systemische Antibiose wurden durchgeführt. Das Bild 9 (eine Nahaufnahme) und das Bild 10 zeigen die Katze zwei Wochen nach der Operation.

Sie schaffte es in nur wenigen Tagen nach der Operation mit den neuen Okklusionsverhältnissen sehr gut zurechtzukommen und ihre Lebensqualität ist durch die große Masse, die sie auf ihrer linken Mandibula hatte, nicht weiter beeinträchtigt.
Ein Rezidiv, obwohl möglich, ist sehr unwahrscheinlich, da die Resektionen von Ameloblastomen kurativ sind. Regelmäßige Kontrollen und Röntgenaufnahmen sind aber dringend anzuraten, da bei jedem tumorösen Prozess große Vorsicht geboten ist.
Camil Stoian, Dr. med. dent., Dr. med. vet., PhD
Diplomate of the European Veterinary Dental College
eMail: [email protected]
T: 0043 664 789 5433
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