Schimpansen besitzen soziale Traditionen

(15.09.2012) Schimpansen lernen nicht nur voneinander, sie können diese Informationen auch zu lokalen Traditionen weiterentwickeln. Die Art der Fellpflege unterscheidet sich zwischen Schimpansen-Gruppen

In einer Untersuchung der Max-Planck-Institute für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande, und für evolutionäre Anthropologie in Leipzig zusammen mit der amerikanischen Gonzaga Universität hat sich herausgestellt, dass das Verhalten bei der gegenseitigen Fellpflege davon abhängt, welcher Gruppe die Schimpansen angehören.


Die Schimpansen einiger Populationen geben sich die Hand während der Fellpflege
Besonders in der Art, wie sich die Tiere während der Pflegeprozedur die Hände geben, gibt es lokale Unterschiede.

Die Wissenschaftler haben das sogenannte „grooming handclasp“ untersucht - ein Verhalten, bei dem sich zwei Schimpansen gegenseitig die Hand oder den Arm geben, die umklammerten Arme in die Luft halten und mit der freien Hand das Fell des anderen absuchen und pflegen.

Dieses Verhalten wird jedoch nicht in allen Schimpansen-Populationen beobachtet. Die Forscher haben deshalb untersucht, ob die Schimpansen dieses Verhalten instinktiv an den Tag legen, oder ob sie es voneinander lernen und diese Art der Pflege an nachfolgende Generationen weitergeben.

Frühere Forschungen hatten ergeben, dass der „grooming handclasp“ ein kulturelles Merkmal ist – vergleichbar mit den verschiedenen Begrüßungsritualen menschlicher Kulturen. Manche Schimpansen-Gruppen legen dieses Verhalten an den Tag, andere nicht.

Es wäre aber möglich, dass genetische Unterschiede zwischen den Schimpansen-Populationen oder voneinander abweichenden Umweltbedingungen der Grund für diese Beobachtungen sind.

Deshalb haben die Forscher in der aktuellen Studie analysiert, ob es Unterschiede in der Art des Handschlages zwischen verschiedenen Populationen gibt.


Andere Schimpansen-Gruppen bevorzugen das Umklammern des Handgelenks
Edwin van Leeuwen und Katherine Cronin der Max-Planck-Forschungsgruppe für Vergleichende Kognitive Anthropologie vom Institut für Psycholinguistik haben zwischen 2007 und 2012 Schimpansen im Chimfunshi Wildlife Orphanage Trust-Reservat in Sambia beobachtet.

In diesem Waldgebiet, das zu einem der größten zusammenhängenden Wäldern der Erde gehört, leben Schimpansen, die in der Wildnis oder auch in Gefangenschaft geboren wurden.

Die Max-Planck-Forscher haben zusammen mit Studenten der Gonzaga Universität und mit einem Team von ansässigen Tierpflegern detaillierte Daten zum Verhalten der Schimpansen gesammelt und ausgewertet.

Die aktuelle Studie zeigt, dass die Schimpansen-Gruppen das Ritual unterschiedlich ausführen: Vertreter einer Population geben sich lieber die Hand, in anderen Populationen umklammern die Schimpansen das gesamte Handgelenk. „Wir wissen nicht, was für diese Unterschiede verantwortlich ist“, sagt van Leuween.

„Aber unsere Studie zeigt, dass die Schimpansen-Populationen ihre eigenen lokalen Traditionen hervorbringen und festigen. Schimpansen können also über ihre angeborenen Veranlagungen hinaus Verhaltensweisen entwickeln und so ihre Lebensumstände beeinflussen.“

Außerdem haben die Wissenschaftler beobachtet, dass die Art des „grooming handclasp“ an die nächste Generation übermittelt wird.

„Während der fünf Jahre  bei den Schimpansen konnten wir miterleben, wie 20 junge Schimpansen mit der Zeit den spezifischen Handschlag der Gruppe übernommen haben. Die ersten „grooming hadnclasps“ wurden mit der Mutter durchgeführt.

Diese Beobachtungen bekräftigen unsere Schlussfolgerung, dass die Schimpansen die lokale Tradition über sozialen Austausch erlernen. Das könnte der Beweis einer sozialen Kultur sein“, erklärt Bodamer.

„In Zukunft werden weitere Untersuchungen dieser Schimpansen-Gruppe im Reservat die Frage klären, inwiefern diese Tradition mit der Zeit überdauert. Vielleicht bekommen wir auch eine Antwort darauf, warum sie überhaupt während der Fellpflege ihre Arme in die Höhe strecken“, sagt van Leeuwen.



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