In einer Pavian-Gruppe kann jeder die Richtung vorgeben, nicht nur das ranghöchste Tier

(20.07.2015) Paviane leben in hierarchischen Gruppen zusammen. Doch wichtige Entscheidungen werden nicht von den ranghöchsten Gruppenmitgliedern diktiert, sondern demokratisch beschlossen.

Das haben Wissenschaftler unter Beteiligung von Iain Couzin vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell herausgefunden.

Die Forscher überwachten die Bewegungen einer Affengemeinschaft mit GPS-Geräten sekundengenau. Dadurch konnten sie beobachten, wie die Affen entscheiden, in welche Richtung sich die Gruppe bewegt. Ausgelöst wird der Prozess von Individuen, die eine Richtung vorschlagen.

Gab es geteilte Meinungen, dann schlossen sich die unentschiedenen Affen der Mehrheit an – ganz demokratisch und unabhängig davon, welche Richtung die dominanten Tiere gewählt hatten.

Anubis-Paviane sind unglaublich flink. Es ist nahezu unmöglich, ihnen über längere Zeit zu folgen und sie bei Entscheidungen zu beobachten. Deswegen war es Forschern bisher nicht gelungen, herauszufinden, wie die Tiere mit Interessenkonflikten umgehen und wer in den hierarchisch organisierten Gruppen die Entscheidungen trifft.

„Das Faszinierende an Pavianen ist, dass sie sich zusammen fortbewegen und deshalb auf eine gemeinsame Richtung einigen müssen“, erklärt Iain Couzin.

Die Forscher statteten die Tiere mit GPS-Sendern aus und dokumentierten die Bewegungen von jedem einzelnen Tier. Mithilfe einer selbstentwickelten Software berechnete sie dann aus diesen Daten, wie sich die Affen bei ihren Streifzügen durch die kenianische Savanne für eine Laufrichtung entschieden.

Einige Individuen schlugen einen Weg vor, indem sie sich von der Gruppe entfernten. Je mehr dieser Initiatoren zielstrebig die gleiche Richtung wählten, umso wahrscheinlicher war es, dass die restliche Gruppe ihnen folgte. Den Pavianen war dabei egal, was das ranghöchste Tier präferierte. „Das Alpha-Tier bestimmt also nicht diktatorisch, sondern die Gruppe trifft demokratische Entscheidungen“, erklärt Couzin.

Oft kam es vor, dass etwa gleich viele Tiere in unterschiedliche Richtungen wollten. Dann kam es auf den Winkel zwischen den einzelnen Untergruppen an. War der kleiner als 90 Grad, dann wählten die restlichen Affen den Mittelweg. Bei einem größeren Winkel wählten sie hingegen die der Richtung aus, die von der größeren Gruppe bevorzugt wurde.

Dieses Verhalten hatte Iain Couzin schon vor zehn Jahren theoretisch vorhergesagt. Das erstaunt ihn selbst ein wenig: „Ich bin überrascht, dass die Vorhersagen über eine extrem komplexe Gemeinschaft so akkurat sind. Aber es ist wunderbar, wie alles zusammenpasst und dass die Beobachtungen unsere theoretischen Vorhersagen bestätigt hat.“

Die Auswertung der GPS-Daten war extrem kompliziert und hat mehrere Jahre gedauert. „Es war schwierig für uns zu verstehen, wann die Paviane versuchen, sich gegenseitig zu beeinflussen und wann nicht“, sagt Couzin. Deswegen flogen Couzin und seine Kooperationspartner gemeinsam nach Kenia, um die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.

„Ohne diese Feldstudien hätten wir niemals unseren Algorithmus entwickeln können, und ohne den Algorithmus hätten wir nie verstanden, wie Entscheidungsfindung abläuft“, fasst Couzin zusammen.

Ein Puzzleteil fehlt jedoch noch: der Einfluss des Geländes. Deswegen lassen die Wissenschaftler jetzt eine Drohne fliegen, die aus der Luft eine detaillierte dreidimensionale Karte erstellt. Couzin erklärt: „Wir glauben, dass die Informationen über die Umwelt uns noch ganz andere Einblicke in das Sozialverhalten der Tiere geben können.“



Weitere Meldungen

Bereits im Alter von acht Monaten beginnen Babys spielerisch andere zu necken; Bildquelle: Isabelle Laumer

Haben Affen Humor?

Bereits im Alter von acht Monaten beginnen Babys spielerisch andere zu necken. Da für dieses Verhalten keine Sprache erforderlich ist, ist es naheliegend, dass ähnliche Formen des spielerischen Neckens möglicherweise auch im Tierreich zu finden sind
Weiterlesen

Forschungs- und Haltungsgebäude PriCaB; Bildquelle: Karin Tilch/Deutsches Primatenzentrum GmbH

Primatenhaltung und -forschung unter einem Dach

Neues PriCaB-Gebäude am Deutschen Primatenzentrum verbindet Forschung zu Kognition und Tierwohl
Weiterlesen

Zwei eng befreundete männliche Guineapaviane (Papio papio) bei der gegenseitigen Fellpflege im Niokolo-Koba-Nationalpark in Senegal; Bildquelle: Federica Dal Pesco

Wenn männliche Kumpel weniger wichtig werden als weibliche Paarungspartner

Wissenschaftler*innen des Deutschen Primatenzentrums haben die Investition in Männerfreundschaften und den Zusammenhang mit reproduktivem Erfolg bei männlichen Guineapavianen untersucht
Weiterlesen

Schimpansen Asanti und Akuna beim Kommunizieren mithilfe von Rufen; Bildquelle: Liran Samuni, Taï Chimpanzee Project

Schimpansen kombinieren Rufe zu einer Vielzahl von Lautsequenzen

Verglichen mit dem menschlichen Sprachgebrauch erscheint Tierkommunikation einfach. Unklar blieb bisher, wie sich unsere Sprache aus einem so einfachen System entwickelt haben könnte
Weiterlesen

Universität Oxford

Künstliche Intelligenz erkennt Verhaltensweisen von Primaten in freier Wildbahn

Wissenschaftler der Universität Oxford haben neue Modelle der künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt, um Verhaltensweisen von Schimpansen in freier Wildbahn zu erkennen
Weiterlesen

Guinea-Paviane; Bildquelle: William O‘Hearn/Deutsches Primatenzentrum GmbH

Männliche und weibliche Guinea-Paviane sind gleichermaßen erfolgreich darin, eine Gruppe anzuführen

Die Sonne geht auf über der senegalesischen Savanne. Die Guinea-Paviane haben die Nacht auf ihren Schlafbäumen verbracht und machen sich gemeinsam auf den Weg zur Futtersuche
Weiterlesen

Dr. Yasemin Gültekin, Wissenschaftlerin in der Abteilung Funktionelle Bildgebung am Deutschen Primatenzentrum; Bildquelle: Karin Tilch/Deutsches Primatenzentrum GmbH

Auch Affen lernen zu kommunizieren

Verhaltensstudie an Weißbüschelaffen liefert neue Erkenntnisse zur Evolution von Sprache
Weiterlesen

Muttertier mit Jungtier auf der Plantage.; Bildquelle: Anna Holzner

Palmölplantagen verändern das Sozialverhalten von Makaken

Der Regenwald wird in vielen Teilen Südostasiens durch Palmölplantagen ersetzt. Das bringt weitreichende Probleme für die Natur mit sich, beispielsweise für Südliche Schweinsaffen, eine Makakenart aus Südostasien
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen