Mäuseväter prägen Nachwuchs bei der Partnerwahl
Mischlinge aus unterschiedlichen Hausmaus-Populationen paaren sich bevorzugt mit Individuen aus der Ursprungsgruppe des Vaters
Die Partnerwahl ist ein Schlüsselfaktor bei der Entstehung neuer Tierarten. Die Wahl für einen ganz bestimmten Partner kann die evolutionäre Entwicklung einer Art entscheidend beeinflussen. Bei Mäusen wird die Attraktivität des Gegenübers über Geruchsstoffe und akustische Signale im Ultraschallbereich vermittelt.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön haben untersucht, ob sich Hausmäuse (Mus musculus) auch dann noch miteinander paaren, wenn sie aus lange voneinander getrennten Populationen stammen. Die Forscher haben dazu Mäuse aus einer deutschen und einer französischen Population zusammengesetzt.
Während sich die Mäuse zu Beginn noch querbeet miteinander paarten, zeigten sich die deutsch-französischen Mischlingskinder deutlich wählerischer: Sie kopulierten bevorzugt mit Partnern aus der Stammpopulation des Vaters. Den Wissenschaftlern zufolge beschleunigt diese väterliche Prägung die Auseinanderentwicklung zweier Hausmauspopulationen und fördert somit die Artbildung.
Bei der sogenannten allopatrischen Artbildung werden die Individuen einer Art durch äußere Einflüsse wie Gebirge oder Meeresarme voneinander getrennt. Die räumliche Isolation führt auf Dauer dazu, dass sich in den Teilpopulationen unterschiedliche Mutationen ansammeln und sich so genetische Unterschiede herausbilden. Die Tiere können sich nicht mehr erfolgreich miteinander fortpflanzen und es entstehen zwei neue Arten.
Um herauszufinden, welche Rolle die Partnerwahl bei solchen Artbildungsprozessen spielt, haben Wissenschaftler um Diethard Tautz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie eine umfangreiche Studie an Hausmäusen durchgeführt – einem klassischen Modellorganismus der Biologie.
„Um zu untersuchen, ob sich bereits in der Frühphase der Artbildung Unterschiede im Paarungsverhalten der Mäuse zeigen, haben wir wildlebende Hausmäuse in Südfrankreich und Westdeutschland gefangen. Beide Populationen sind seit etwa 3.000 Jahren räumlich voneinander getrennt, das entspricht etwa 18.000 Generationen“, sagt Diethard Tautz.
Die räumliche Isolation hat dazu geführt, dass sich französische und deutsche Mäuse genetisch unterscheiden lassen.
Die Plöner Forscher haben dafür eine halb-natürliche Umgebung geschaffen – eine Art „Playboy-Anwesen“ für Mäuse. Dies bestand aus einer mehrere Quadratmeter großen Fläche, die mit hölzernen Wänden, „Nestern“ aus Plastikzylindern und Plastikröhren räumlich strukturiert wurde.
Zudem gab es eine Fluchtröhre mit mehreren Eingängen, die in ein benachbartes Käfigsystem führte. „Wir haben die Umgebung so konstruiert, dass alle Tiere freien Zugang zu allen Bereichen hatten, durch die zusätzlichen Strukturelemente aber auch Territorien ausbilden oder sich in Nester zurückziehen konnten“, erklärt Tautz.
„Die Fluchtröhre ist ein Kontrollelement. Nutzen die Mäuse diese nur selten als Rückzugsgebiet – wie in unserem Experiment – dann herrscht im zentralen Raum keine Überbevölkerung.“
In diesem Zentralraum hatten deutsche und französische Mäuse nun Zeit und Platz, miteinander zu kopulieren und Nachkommen zu zeugen. „Zu Beginn paarte sich eigentlich jeder mit jedem. Doch bei den Nachkommen zeigte sich dann etwas Überraschendes“, sagt Tautz.
Denn die Mäuse mit deutsch-französischen Eltern paarten sich später selbst bevorzugt mit Partnern, die nur die „Nationalität“ des Vaters hatten. „Hier gibt es offenbar eine väterliche Prägung, die Mischlinge dazu bewegt, sich für eine Seite zu entscheiden, eben die des Vaters“, schließt der Biologe aus den Ergebnissen seiner Studie. "Diese Prägung muss aber erst erlernt werden, das heißt die Tiere müssen in Anwesenheit des Vaters aufwachsen, was in der Käfighaltung, aus der sie kamen, nicht der Fall war."
„Wir wissen, dass Mäuse im Ultraschallbereich miteinander kommunizieren und dass diese Sprache gerade bei Männchen Individualität und Verwandtschaft ausdrücken kann. Wir vermuten, dass diese väterlichen Gesänge ähnlich wie beim Gezwitscher von Singvögeln eine erlernte und eine genetische Komponente haben“, so Tautz.
Französische und deutsche Mäuse könnten also tatsächlich verschiedene Sprachen sprechen, die vom Vater teils gelernt, teils geerbt werden. Einzelne Mäuse paaren sich entsprechend nur dann bevorzugt miteinander, wenn sie auch die gleiche Sprache sprechen.
Die deutsche und die französische Maus-Population waren ganz offensichtlich lange genug räumlich voneinander getrennt, dass sich auf der Ebene der Partnerwahl bereits erste Anzeichen einer Auseinanderentwicklung der Art zeigen. Darüber hinaus beschleunigt ein weiterer Aspekt des Sexualverhaltens die Artbildung. Mäuse haben zwar viele verschiedene Geschlechtspartner, die Forscher haben aber auch Partnertreue und Inzucht gefunden. Die Neigung zu Sex unter Verwandten fördert die Bildung genetisch einheitlicher Gruppen. Beides zusammen verstärkt den Artbildungsprozess.
Im nächsten Schritt will Diethard Tautz nun herausfinden, ob die Laute der Mäuse bei der väterlichen Prägung entscheidend sind oder ob möglicherweise doch auch Geruchssignale eine Rolle spielen. Darüber hinaus möchte der Biologe die Gene identifizieren, die an der Partnerwahl beteiligt sind.
Originalpublikation
Inka Montero, Meike Tesche and Diethard Tautz
Paternal imprinting of mating preferences between natural populations of house mice (Mus musculus domesticus)
Molecular Ecology (2013), doi: 10.111/mec.122271
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