Affen informieren Gruppenmitglieder über Gefahren
Menschen stehen oft vor der Wahl, ob sie zum Allgemeinwohl beitragen oder sich egoistisch verhalten und andere sich verausgaben lassen möchten.
Tiere, die in Gruppen zusammenleben, sind oft Bedrohungen ausgesetzt und Informationen über Gefahren, die sie von anderen erhalten, können möglicherweise Leben retten. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie fanden heraus: Wenn freilebende Rußmangaben im Regenwald auf gefährliche Schlangen stoßen, rufen sie nicht aus Angst oder um Familienmitglieder zu warnen, sondern dann, wenn Informationen sonst möglicherweise nicht alle Gruppenmitglieder erreichen würden.
Zusammenzuarbeiten und einander Gefallen zu erweisen – zum Wohle aller Beteiligten – ist ein wesentlicher Bestandteil menschlichen Zusammenlebens und trägt zum Erfolg unserer Spezies bei.
Anstatt nur ausgewählten Menschen zu helfen, dienen unsere Taten oft dem Allgemeinwohl, was dann neben Familie und Freunden, die Teil der Gemeinschaft sind, auch vielen anderen zugutekommt.
Obwohl von gemeinsamer Arbeit die gesamte Gruppe profitiert, ist nicht jeder gleichermaßen dazu bereit, etwas beizutragen.
Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit unter Menschen ist der Austausch von Informationen: Von Klatsch und Tratsch über das Geschichtenerzählen bis hin zu Unterricht und Nachrichtenberichterstattung verlassen wir uns darauf, dass einige Personen über Wissen verfügen und dieses zum Wohle der Allgemeinheit weitergeben.
Wie der Mensch leben auch viele nicht-menschliche Primaten in sozialen Gruppen und kooperieren zu ihrem gegenseitigen Nutzen miteinander. Auch für sie können Informationen ein wichtiges Gut sein: Affen nutzen eine Vielzahl von Rufen um einander mitzuteilen, wohin sie gehen und ob sie Nahrung gefunden haben.
Eine der wichtigsten Botschaften ist die Warnung vor einer Bedrohung: Wurde ein Leopard oder Adler gesichtet, kann ein Ruf nach Verstärkung helfen, Raubtiere zu verwirren oder zu bekämpfen.
Diese Rufe sind nicht nur für andere Gruppenmitglieder vorteilhaft, sondern auch für den Rufer selbst. Anders verhält es sich, wenn die Bedrohung sich nicht fortbewegt: Viele Schlangen, insbesondere Vipern, scheinen Affen nicht aktiv zu jagen; sie beißen und töten aber, wenn Affen unachtsam auf sie treten.
Sobald ein Affe weiß, wo sich die Schlange befindet, ist er selbst normalerweise nicht mehr in Gefahr.
Ein lauter Ruf, um andere über die Anwesenheit der Schlange zu informieren, kostet Zeit und setzt den Rufer möglicherweise anderen Gefahren aus.
Daher stoßen nicht alle Affen einer Gruppe gleichermaßen einen Warnruf aus. Warum also rufen einige Tiere, wenn sie eine Bedrohung erkennen, die für sich selbst nicht mehr gefährlich ist?
Realistische Schlangenmodelle aus Papiermaché
Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig beobachteten die Reaktionen von Rußmangaben auf Schlangen, um zu verstehen, wie diese Affenart beim Informationsaustausch zusammenarbeitet.
Mangaben leben im tropischen Taï-Nationalpark, Elfenbeinküste, in großen Gruppen von oft mehr als 100 Tieren zusammen.
So sehen einzelne Tiere oft nicht alles, was anderen Gruppenmitgliedern, darunter auch Verwandten und Freunden, geschieht. Obwohl Mangaben im Wald häufig auf Giftschlangen stoßen, lassen sich diese Begegnungen nicht vorhersehen und filmen.
Daher haben die Forscher realistische Schlangenmodelle aus Stoff und Papiermaché gebastelt und an Stellen im Wald versteckt, an denen die Mangaben vorbeikommen.
Das Team filmte dann die Reaktionen aller Affen, die die Schlange sichteten und stellte fest, welcher Affe wann und wie oft einen Warnruf ausgestoßen hat.
So wollten die Forscher herausfinden, ob die Tiere aus Angst vor der Schlange gerufen hatten, um ihre Furchtlosigkeit zu zeigen, um Familie und Freunde zu warnen, oder ob sie Informationen an die gesamte Gruppe weitergaben, wenn andere, die ihnen folgten, wahrscheinlich nichts von der Gefahr wussten.
Ein Jahr lang beobachteten die Forscher im Rahmen des Taï-Schimpansenprojekts eine Gruppe freilbender Mangaben und führten zwei bis vier Experimente pro Monat durch. Mit Hilfe von Schlangenmodellen und bis zu fünf verschiedenen Kameraeinstellungen konnten sie das Verhalten jeder einzelnen Mangabe, die die Schlange sichtete, detailliert aufzeichnen.
Alle Gruppenmitglieder sind an Menschen und Kameras gewöhnt; die Forscher kennen Verwandtschaftsbeziehungen, Freundschaften und Dominanzbeziehungen innerhalb der Gruppe und konnten so im Detail untersuchen, ob die Anwesenheit oder Ankunft bestimmter Gruppenmitglieder Alarmrufe auslösen würde.
Wenn Affen eine Schlange entdecken, bleiben sie für gewöhnlich eine Weile in der Nähe und beobachten sie, während andere Individuen ihnen folgen und die Schlange ebenfalls betrachten.
Zwischen dem ersten und letzten Tier, das der Bedrohung begegnet, gibt es eine Reihe von Affen, die rufen könnten. Doch nicht alle tun das und die Frage ist, was die Rufer von den Nichtrufern unterscheidet.
Unterschiedliche Reaktionen
„Was uns sowohl bei natürlichen Schlangenbegegnungen als auch bei unseren Experimenten überraschte war, wie verschieden Individuen auf die Bedrohung reagierten: Die meisten zeigten kaum eine Reaktion, es sei denn, sie wären beinahe auf die Schlange getreten. In der Regel riefen sie ein- oder zweimal und gingen dann weiter.
Andererseits gab es aber auch einige wenige Tiere, die jedes Mal einen Warnruf ausstießen, wenn sie eine Schlange sahen“, sagt Alex Mielke, Erstautor der Studie. „Sehen wir uns alle Experimente an, dann entsteht ein klares Muster: Mangaben riefen nicht speziell, um Verwandte, Freunde oder unwissende Gruppenmitglieder zu warnen.
Sie riefen dann, wenn sich nur wenige andere Affen in der Nähe der Schlange aufhielten oder wenn eine Weile niemand gerufen hatte. So teilten sie den Aufenthaltsort der Schlange effektiv der breiten Öffentlichkeit mit, wenn die Gefahr bestand, dass die Information sonst verloren gehen könnte.
Es entsteht ein System, wo niemand zu viel investieren muss – ein oder zwei Rufe reichen aus, bevor es weitergeht – die Gefahr aber regelmäßig neu verkündet und so für nachfolgende Tiere beseitigt wird.“
Diese Ergebnisse zeigen, wie das Sozialgefüge, in dem ein Tier lebt, die Art und Weise verändert, wie Informationen übermittelt werden müssen: Mangaben leben in großen Gruppen zusammen, bewegen sich aber gemeinsam von einem Ort zum anderen.
So kann ein Tier im vorderen Teil der „Reisegruppe“, das eine Schlange sieht und einen Warnruf ausstößt, wahrscheinlich davon ausgehen, dass seine Schwester im hinteren Teil der „Reisegruppe“ diese Botschaft auch erhält. Die Informationen werden von den sich zwischen ihnen befindlichen Tieren erneut verkündet.
Bei Schimpansen hingegen teilt sich die Gruppe in Untergruppen auf. Dasselbe Forscherteam aus Leipzig beobachtete, dass einzelne Schimpansen in der Nähe der Schlange warteten um nachkommende Gruppenmitglieder, die von der Gefahr nichts wussten, zu informieren.
Das Verhalten der Mangaben zeigt auch, wie sich Kooperation auf Gruppenebene entwickelt haben könnte.
Auch wenn die Affen Verwandte und Verbündete nicht einzeln warnen, wenn sie eine Schlange finden, sondern diese Informationen an den Rest der Gruppe weitergeben, können sie sich darauf verlassen, dass andere den gleichen Beitrag leisten.
Alle Gruppenmitglieder (einschließlich der Familie) werden informiert, und es wird somit weniger wahrscheinlich, dass sie von der Schlange verletzt oder getötet werden.
Ähnliche Mechanismen können auch in anderen Situationen wichtig sein, in denen Primaten zusammenarbeiten, um ein Ziel zu erreichen, wenn sie ihr Territorium verteidigen oder gemeinsam nach Nahrung suchen. Diese Studie verdeutlicht einmal mehr, inwieweit Kooperation das Sozialverhalten der uns verwandten Primaten prägt.
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