Darmlose Meereswürmer auf Mittelmeerdiät: Tiere können Pflanzensterole herstellen

(05.05.2023) Pflanzensterole (Phytosterole) sind gesund; aber leider können Menschen und Tiere sie nicht selbst herstellen.

Immer mehr Menschen nutzen Nahrungsergänzungsmittel, um an Phytosterole zu kommen, oder greifen zu grünen Smoothies oder einer Mittelmeerdiät mit vielen pflanzlichen Lebensmitteln.

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen haben nun winzige darmlose Würmer im Mittelmeer entdeckt, die selbst Phytosterole herstellen können. Sie zeigen außerdem, dass auch viele andere Tiere die erforderlichen Gene zur Biosynthese eigener Phytosterole haben. Ihre Ergebnisse erscheinen im Fachjournal Science.

Cholesterol und Phytosterol sind Sterole: Fettverbindungen, die für viele biologische Prozesse unverzichtbar sind, beispielsweise, damit die Zellwände funktionieren. Bislang war man der Ansicht, dass Phytosterole typisch für Pflanzen und Cholesterol typisch für Tiere ist und nur diese Gruppen das jeweilige Sterol herstellen.

Dolma Michellod, Nicole Dubilier und Manuel Liebeke vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen waren daher überrascht, als sie entdeckten, dass Olavius algarvensis, ein kleiner Wurm, der in Seegraswiesen im Mittelmeer lebt, deutlich größere Mengen an Phytosterolen als Cholesterol enthält.

„Es wäre naheliegend gewesen, dass die Würmer Phytosterole aus dem umliegenden Seegras aufnehmen“, erklärt Erstautorin Michellod. „Es war aber klar, dass sie das Seegras nicht fressen konnten, denn diese Würmer haben weder einen Mund noch einen Darm. Sie ernähren sich mithilfe symbiotischer Bakterien, die in ihrem Körper leben“, ergänzt Dubilier.

„Wir konnten auch ausschließen, dass sie die Phytosterine über ihre Haut aufnehmen. Darum haben wir uns gefragt, ob die symbiotischen Bakterien des Wurms möglicherweise Phytosterole produzieren“, erklärt Liebeke. „Auch diese Hypothese konnten wir nicht bestätigen. Erst dann wurde uns klar, dass die Würmer die Phytosterole selbst herstellen müssen“, erklärt Liebeke.

Die Max-Planck-Forschenden, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Bremer MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, der Universität Münster, der Universität Hamburg, der North Carolina State University und dem Imperial College London, nutzten eine Vielzahl von Methoden um zu beweisen, dass der Wurm selbst die Phytosterole, hauptsächlich in Form von Sitosterol herstellt.

Unter anderen sequenzierten sie die DNA und RNA des Wurms, analysierten seine Proteine und Metabolite und machten Bildaufnahmen von der Verteilung der Sterole im Wurmkörper. Ihre Studie zeigt erstmalig, dass Tiere Pflanzensterole synthetisieren können. Sie erscheint am 5. Mai im Fachmagazin Science.

Vom Wurm zur Koralle – fünf Tiergruppen haben die Gene, um Phytosterole herzustellen

Eine weitere Überraschung erlebten die Forschenden, als sie feststellten, dass die erforderliche Gene, um Sitosterol aus Vorläufersubstanzen des Cholesterols herzustellen, im Tierreich weit verbreitet sind.

„Wir stießen auf ein Gen, von dem man annahm, dass es während der Evolution von Tieren schon lange verloren gegangen war”, sagt Liebeke.

„Es war sehr spannend, dieses Gen in so vielen verschiedenen Tiergruppen zu entdecken, von Korallen und Regenwürmern bis hin zu Muscheln und Schnecken“, fügt Michellod hinzu.

„Offensichtlich bringt es ihnen einen starken Selektionsvorteil, das Gen zu besitzen, das die Bildung von Phytosterolen ermöglicht.

Wir vermuten, dass Phytosterole die Zellwände von Tieren durchlässiger machen könnten, aber das ist bisher nur wilde Spekulation", so Dubilier.

The Good, the Bad, and the Ugly: Die Rolle von Cholesterol und Phytosterolen

Bisher hat sich die Sterolforschung an Tieren auf Cholesterol konzentriert. Es repräsentiert „The Good, the Bad, and the Ugly”: Manche Formen davon sind nötig, um Zellmembranen und Hormone herzustellen, andere sind schädlich und können Blutgefäße verstopfen und somit die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Zahlreiche neuere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Phytosterole hingegen gut für Menschen sein können, da sie die Cholersterinwerte im Blut verbessern und dadurch die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen verringern können. Wie genau die Phytosterole diese Vorteile erzeugen, ist noch nicht klar.

Die Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie sind überzeugt, dass der kleine Meereswurm Olavius algarvensis ein hervorragender Modellorganismus ist, um die positive Rolle von Pflanzensterolen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren besser zu verstehen.

Publikation

Dolma Michellod, Tanja Bien, Daniel Birgel, Marlene Violette, Manuel Kleiner, Sarah Fearn, Caroline Zeidler, Harald R. Gruber-Vodicka, Nicole Dubilier, Manuel Liebeke (2023): De novo phytosterol synthesis in animals. Science (May 5, 2023)


Weitere Meldungen

Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL)

Tierfutter: Hirse und Weiße Lupine statt Soja und Mais

Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) veröffentlicht regelmäßig neueste Forschungsergebnisse auf www.nutztierhaltung.de. In einem neuen Beitrag beleuchtet das BZL ein Projekt, in dem Körnerhirse als Geflügelfutter untersucht und für geeignet befunden wurde
Weiterlesen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Warum sichere Futtermittel auch für die menschliche Gesundheit wichtig sind

Was Nutztiere über Futtermittel aufnehmen, kann über das Tier auch auf den Teller gelangen. Futtermittel müssen daher sicher sein und dürfen die Gesundheit von Tier und Mensch nicht beeinträchtigen
Weiterlesen

Henning Wackerhage, Professor für Sportbiologie an der Technischen Universität München; Bildquelle: Andreas Heddergott / TUM

Studie: Einnahme von Taurin verzögert Alterung im Tierversuch

Taurinmangel ist eine der treibenden Kräfte hinter dem Altern von Menschen und Tieren. Das zeigt eine Studie mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM), die im renommierten Fachmagazin „Science“ erschienen ist
Weiterlesen

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)

Futterklee für Kühe und Insekten

Pflanzlich-diversifizierte Kleegrasweiden tragen zur Förderung von Hummeln in Agrarsystemen bei
Weiterlesen

Prof. Cornelia C. Metges und Dr. Manfred Mielenz vor ihrer Fliegenkolonie am FBN; Bildquelle: Nordlicht/FBN

Projekt RüBio: Schwarze Soldatenfliege macht nachhaltige Ressourcenkreisläufe möglich

Für einen Modellstandort der blauen Bioökonomie wird am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf ein optimales und nachhaltiges Futter für die Schwarze Soldatenfliege designt
Weiterlesen

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)

Forschungsaufruf: Projekte zur Sicherung einer nachhaltigen Tierernährung

Interessierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland können bis 10. Februar 2022, 12 Uhr, ihre Projektskizzen einreichen
Weiterlesen

#JUST4VETS: Ernährung von alten Katzen

#JUST4VETS: Ernährung von alten Katzen

Seit Januar 2020 ist Dr. Rebecca Huhmann Inhaberin einer Überweisungspraxis für Fütterungsberatung für Hunde und Katzen. Dabei legt sie besonderen Wert auf die enge Zusammenarbeit mit den überweisenden KollegInnen
Weiterlesen

EU

Gelber Mehlwurm als neuartiges Lebensmittel zugelassen

Als erstes Insekt wurde der gelbe Mehlwurm als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Die EU-Mitgliedstaaten haben einem entsprechenden Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen