Therapiehund Lucky mit Betreuerin
Heimtierhaltung als zu wenig genutzte Chance für die Gesellschaft

Internationaler Kongress in Glasgow zeigt Diskrepanz zwischen Wissen und Anwendung - Studiengänge und Universitätslehrstühle für Mensch-Tier-Beziehung gefordert

Was würde man von jemandem halten, der in Sandalen durch den Schneematsch stapft, obwohl er wetterfeste Winterschuhe besitzt? Ähnlich mutet die Diskrepanz zwischen den Chancen der Mensch-Tier-Beziehung und ihrer Nutzung durch moderne Gesellschaften an. Die vor kurzem bei einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz in Glasgow vorgestellten Forschungsergebnisse haben einmal mehr gezeigt, welches Potenzial für die Steigerung von Lebensqualität im Zusammenleben mit Haustieren steckt. Vergleichsweise wenig davon wird genutzt. Prof. Kurt Kotrschal, Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle und Präsident des Interdisziplinären Instituts für die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT) in Wien, hielt auf Einladung der Veranstalter ein viel beachtetes Referat zu diesem Thema. Der Kongress schloss mit der Forderung, weltweit Studienlehrgänge und Universitätslehrstühle im Bereich Mensch-Tier-Beziehung zu etablieren.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die mit Haustieren aufwachsen, mehr Verantwortung, Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz entwickeln. Haustiere, insbesondere Hunde, fördern die Gesundheit ihrer Halter durch Einfluss auf ihren Lebensstil und durch soziale Unterstützung. Tiere assistieren bei Therapien, erleichtern das Leben von Behinderten, fördern die Lebensqualität alter Menschen etc.

In Glasgow wurden dazu eindrucksvolle neue Ergebnisse vorgestellt. So etwa werden in den USA straffällig gewordene Jugendliche aus desolaten sozialen Verhältnissen in der Ausbildung von Therapiehunden eingesetzt. Diese Aufgabe führt zu einer positiven Entwicklung der Persönlichkeiten bei den Jugendlichen: Von den ca. 50 Jugendlichen, die an diesem Programm bisher teilgenommen haben, wurde kein einziger nach seiner Entlassung rückfällig.

Kotrschal sieht trotz dieser Erfolge eine eklatante Diskrepanz zwischen Wissen und Anwendung. Immer noch ist es schwierig, tiergestützte Programme in Kindergärten, Schulen, Spitälern, Altenheimen oder gar Strafanstalten einzurichten. Private Haustierhaltung wird durch restriktive gesetzliche Rahmenbedingungen eher erschwert als erleichtert. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen in unserem durch rationale Maximen dominierten Denken und technokratischen Traditionen; in Mentalitäten, welche die Abgrenzung zwischen Mensch und Tier betonen und die Sicht auf das Tier als Sozialkumpan des Menschen verstellen. Dazu kommen immer stärker ausgeprägte bürokratisch-legistische Hürden.

Einig waren sich die Kongressteilnehmer, dass für eine bessere Nutzung der Mensch-Tier-Beziehung auch effizienteres Lobbying erforderlich ist. So wird weltweit viel zu wenig in einschlägige Grundlagenforschung investiert. Öffentliche Forschungsgelder fehlen, die verfügbaren Drittmittel aus der Wirtschaft reichen nicht aus. Daher sind Quantität und Qualität der Forschung im Bereich Mensch-Tier-Beziehung immer noch unbefriedigend, was wiederum die gesellschaftliche Akzeptanz der bereits vorhandenen Erkenntnisse erschwert.

Entscheidend für die Zukunft wäre eine stärkere Verankerung der Forschung in diesem Bereich an Universitäten und anderen öffentlichen wissenschaftlichen Einrichtungen: Nur eine systematische Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung kann den Boden für deren Anwendung aufbereiten, indem sie Wissen, Know-how und Personalressourcen schafft und nicht zuletzt auch als Plattform für Kommunikation dient.

Angesichts des weltweiten Bedarfs fordert Kotrschal, auch in Österreich einen einschlägigen Lehrstuhl, verbunden mit entsprechenden Studiengängen, einzurichten, um die Forschung zu fördern und die Brücke zur Anwendung zu schlagen. Anders werde es mittelfristig nicht möglich sein, erfolgreich Drittmittel für gute Grundlagenforschung aufzubringen. Da Universitäten der Gesellschaft zu dienen hätten, müsse die Mensch Tier-Beziehung dort ihren Platz finden.

:
Prof. Kurt Kotrschal
Leiter der Konrad Lorenz-Forschungsstelle Grünau,
Präsident des IEMT
Mail: [email protected]

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