Schweinespulwurm: Hygiene "wurmt" das Immunsystem
(01.10.2006) Wissenschaftlern an der Universität für Bodenkultur ist es gelungen, das Aussehen eines Moleküls aufzuklären, mit dem der Schweinespulwurm, ein Darmparasit, die Immunantwort des Wirtes gegen den Parasiten ausschalten kann.
Dieses sogenannte Glykokonjugat könnte ein neuer Schlüssel für die Therapie von Autoimmunkrankheiten und Allergien sein.
Der Wurm ist weg, die Allergie kam
Ungefähr die halbe Weltbevölkerung ist von Darmwürmern befallen, besonders in Entwicklungsländern. Die betroffenen Menschen kennen Probleme wie Autoimmunkrankheiten, das sind Krankheiten bei denen das eigene Immunsystem Zellen des eigenen Körpers angreift, und Allergene kaum. Die andere Hälfte der Weltbevölkerung ist durch die gesteigerte Hygiene von Darmparasiten befreit, allerdings mit dem Preis, dass sich plötzlich die oben genannten Krankheiten häufen. Es scheint nun, dass sich der Körper an die Gegenwart dieser meist ungefährlichen Gäste gewöhnt hat und ohne die Parasiten das Immunsystem nun aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Die Überlebensstrategie eines Parasiten
Hat sich ein Wurm im Darm eingenistet wird er sofort vom Immunsystem erkannt und bekämpft. Um diesen Angriff abzuwehren gibt der Parasit das proteingebundene Glykokonjugat ab um sich selbst zu schützen. Die abgegebenen Moleküle regeln das Immunsystem dann so, dass es den Wurm nicht mehr angreift, sich jedoch noch effektiv gegen andere Eindringlinge wie Viren und Bakterien wehren kann. Auch der Wurm ist daran interessiert, dass der Wirtskörper gesund bleibt, weil sein Leben ja an diesem hängt.
Die Moleküle auf die Waage
Die Strukturen dieser Zuckerstrukturen konnten mit Hilfe eines Massenspektrometers aufgeklärt werden. Ein Massenspektrometer ist, einfach gesprochen, eine riesige Waage in der Größe eines Zweipersonenzeltes die es ermöglicht, Moleküle abzuwiegen. Wenn man nun die Masse eines Moleküls kennt, kann man das Molekül mit beschleunigten Argonatomen kollidieren lassen und die entstandenen Bruchstücke werden anschließend wieder "gewogen". Mittels der Gesamtmasse und den einzelnen Bausteinen kann man dann das Aussehen eines Moleküls bestimmen. - Eine Art "Lego" für Wissenschaftler.
Dem Wurm abgeschaut
Da nun die Struktur dieser Glykokonjugate, bestehend aus Zucker und dem Molekül Phosphorylcholine, bekannt ist, wird es zukünftig möglich sein, diese Moleküle im Reagenzglas oder in Zellkulturen herzustellen und diese in der Therapie gegen Allergien und Autoimmunkrankheiten wie Neurodermitis einzusetzen. Damit könnte man bisherige Therapieformen ablösen, bei denen man den Patienten Parasiteneier verabreicht, indem man dem Immunsystem seinen Gegenspieler, an den es sich gewöhnt hatte wieder zurückgibt. Dies erfolgt als Maßnahme z.B. gegen Morbus crohn., eine chronisch entzündliche Darmerkrankung.
Diese Pressemeldung wurde am 26. September 2006 beim Wettbewerb "WissenschaftlerInnen schreiben Presseaussendungen" mit dem 4.Platz ausgezeichnet. Der Text-Wettbewerb wird von dialog<>gentechnik in Kooperation mit APA-OTS, einer Tochter der APA - Austria Presse Agentur, und dem Fond zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) organisiert.