Die Kühe und das Klima – historische Daten offenbaren Überraschendes

(07.11.2022) Seit 2003 stoßen Nutztiere in Deutschland weniger Methan aus als im Jahr 1892

Zwei Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) haben den Methanausstoß von landwirtschaftlichen Nutztieren am Ende des 19. Jahrhunderts mit heutigen Werten verglichen.

Das Ergebnis überraschte: Seit 2003 sind die Methanemissionen geringer als 1892. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Science of The Total Environment“ veröffentlicht*.


Werden Kühe zu Unrecht als Klimakiller bezeichnet? Forschende am FBN haben herausgefunden, dass die Klimaziele bei Methan mit einer effizienten Landwirtschaft erreicht werden können

Methan ist als Treibhausgas für die Erderwärmung mitverantwortlich.

Ein Großteil der Emissionen entstehen durch den Menschen, dabei entfällt ein erheblicher Anteil auf die Landwirtschaft und besonders die Nutztierhaltung.

Deutschland verfolgt in seinem Klimaschutzgesetz das Ziel, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Dafür müssen die Emissionen aller Bereiche bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Die Methanemissionen, die im Zuge der Verdauung durch Nutztiere entstehen, müssten bis 2030 demnach auf 853.000 Tonnen (2020: 927.000 Tonnen) gesenkt werden.

Methanemissionen von Nutztieren gestern und heute

Während wir heute die aktuellen Methanemissionen von Nutztieren recht genau kennen, wissen wir relativ wenig über Situation im 19. Jahrhundert, wo der Beginn der Erderwärmung bereits nachweisbar ist.

Das haben Dr. Björn Kuhla und Dr. Gunther Viereck vom FBN zum Anlass genommen, zu schauen, ob es möglich ist, eine datenbasierte Aussage über die Methanemissionen von Nutztieren im Deutschen Kaiserreich zu treffen und sie mit heutigen Werten vergleichbar zu machen.

„Wir haben die Daten der deutschlandweiten Viehzählungen der Jahre 1872, 1883 und 1892 ausgewertet.

Aus den Körpergewichten konnten wir die Futteraufnahme berechnen. In anderen Quellen fanden wir Angaben zur Fütterung und zur Fleisch- und Milchproduktion im 19. Jahrhundert. Mit diesen Informationen war die Berechnung des Methanausstoßes mit Hilfe von standardisierten Schätzgleichungen möglich.

Dabei wurden auch die territorialen Veränderungen seit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 berücksichtigt“, erläuterte Kuhla. „Dabei haben wir erstaunt festgestellt, dass die Methanemissionen aus der Verdauung von Nutztieren in Deutschland seit dem Jahre 2003 geringer sind als im Jahr 1892. Unsere Studie zeigt, dass die von der Bundesregierung angestrebten Klimaziele im Nutztierbereich in greifbarer Nähe sind.“

Die jährlichen Methanemissionen aus der Viehhaltung betrugen 1883 898.000 Tonnen und 1892 ganze 1.060.000 Tonnen. Das Emissionsziel von 853.000 Tonnen für 2030 liegt damit 207.000 Tonnen unter dem Emissionsniveau von 1892.

Seit 2003 stoßen die Viehbestände in Deutschland im Vergleich zu 1892 sogar weniger Methan aus als 1892. Von 1990 bis 2021 gingen die Methanemissionen aus der Verdauung von Nutztieren um 390.000 Tonnen auf 930.000 Tonnen zurück.

Einen Grund dafür sehen die beiden Forscher in der starken Abnahme der Tierzahlen bei Rindern, Schafen und Ziegen. Obwohl die Bevölkerung auf dem heutigen Gebiet Deutschlands mit damals ca. 34 Millionen Menschen in den letzten 130 Jahren auf 84 Millionen deutlich gewachsen ist, konnte ihre Versorgung dank der höheren Leistung der Tiere und einer hohen Effizienz in der Tierhaltung mit einer geringeren Anzahl an Tieren gewährleistet werden, was mit einem Rückgang der Methanemissionen einherging.

So wurden im Jahr 1892 insgesamt 12,45 Millionen „Kühe und sonstige Rinder“, 8,93 Millionen Schafe, 2,53 Millionen Ziegen und 2,33 Millionen Pferde statistisch erfasst. In Deutschland werden derzeit 11 Millionen Rinder, 1,5 Millionen Schafe, 140.000 Ziegen und 1,3 Millionen Pferde gehalten (Quelle: bmel-statistik.de und AWA-Analyse).

Wie können die Emissionsziele in Deutschland erreicht werden?

Lösungsansätze für eine weitere erfolgreiche Senkung der Methanemissionen sehen die Forschenden am FBN vor allem in der Schweinehaltung.

Zwar produzieren Schweine relativ wenig Methan, andererseits wird jedes fünfte Schwein in Deutschland nicht für die Ernährung der Bevölkerung gebraucht. Eine Reduzierung der Bestände um 20 Prozent würde 5.000 Tonnen Methan pro Jahr sparen.

Hinzu kämen Einsparungen von mehreren tausend Tonnen Kohlendioxid - ebenfalls ein schädliches Treibhausgas – im Zusammenhang mit dem Import von Sojafutter. Da Soja auch für die menschliche Ernährung geeignet ist, würde ein verringerter Einsatz als Futtermittel die Konkurrenz zwischen Trog und Teller verkleinern.

Auch bei den Rindern gibt es Möglichkeiten, die Methanemissionen zu verringern. Der Selbstversorgungsgrad mit Milch beträgt in Deutschland 112 Prozent. Eine Reduzierung der Bestände würde weder die Ernährungssicherheit gefährden noch Ernährungsgewohnheiten in Frage stellen.

Auch die Fütterung mit regional verfügbarer Biomasse, die für die menschliche Ernährung nicht geeignet ist, würde Emissionen durch den wegfallenden Futterimport reduzieren, ohne dabei in Nahrungskonkurrenz zum Menschen zu stehen.

Und die internationale Perspektive?

„Wir beobachten in Afrika, Asien und Südamerika einen starken Anstieg der Bevölkerungszahlen und parallel dazu der Nutztierbestände und ihrer Methanemissionen“, so Kuhla.

„Gleichzeitig weisen Kühe, Schafe und Ziegen in diesen Regionen die geringste Effektivität bei der Produktion von Nahrungsmitteln auf.

Durch eine Verbesserung der Effizienz ließen sich auch in diesen Regionen die Tierzahlen und die Emissionen reduzieren und die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln tierischer Herkunft gewährleisten.“

Publikation

Science of The Total Environment B. Kuhla, G. Viereck (2022) Enteric methane emission factors, total emissions and intensities from Germany's livestock in the late 19th century: A comparison with the today's emission rates and intensities, Science of The Total Environment 848, 157754



Weitere Meldungen

Das ZwiHanf-Team sucht nach Lösungen, um Nitrat- und Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft zu reduzieren.; Bildquelle: FBN

Nutzhanf: Einsatz im Kampf gegen Emissionen in der Rinderhaltung?

Stickstoff- und Methanemissionen aus der Landwirtschaft – Landwirte, Wissenschaft und Unternehmen gemeinsam auf der Suche nach Minderungen
Weiterlesen

In den deutschlandweit einzigen Respirationskammern am FBN können die Methanemissionen exakt gemessen werden.; Bildquelle: FBN/Nordlicht

Der Methanausstoß von Milchkühen kann jetzt ganz einfach ermittelt werden

Wissenschaftler des Instituts für Nutztierbiologie Dummerstorf haben ein neues Verfahren zur Vorhersage des Methanausstoßes einer Milchkuh entwickelt
Weiterlesen

Kuh auf einer deutschen Weide – der globale Methan-Ausstoss jedes Rindes könnte bis 2050 um bis zu 4,5 % ansteigen; Bildquelle: Senckenberg

Klimafaktor Kuh: Methan-Ausstoß von Vieh könnte bis 2050 um über 70 Prozent steigen

Kühe gelten als Klimakiller und in Zukunft werden sie sogar einen deutlich höheren Anteil an der Klimaerwärmung haben
Weiterlesen

Kängurus produzieren bei der Verdauung Methan.; Bildquelle: A. Munn, Universität Wollongong

Schnellere Verdauung bei Kängurus reduziert Methanausstoss

Warum stösst ein Känguru im Vergleich zu einer Kuh weniger Methan aus? Dieser Frage gingen Forschende der Universität Zürich und aus Australien nach
Weiterlesen

Futterzusatz gegen Klimawandel

Futterzusatz gegen Klimawandel: Methanemissionen bei Milchkühen deutlich reduzierbar

Methan entsteht im Pansen von Milchkühen, wenn Mikroorganismen das Futter fermentieren. Das entweichende Gas ist ein ernstzunehmender Beitrag zum fortschreitenden Klimawandel
Weiterlesen

GreenFeed-Methan-Messstation ; Bildquelle: Joachim Kloock

Neue GreenFeed-Methan-Messstation für Kühe in Dummerstorf

Deutschlands erste Methan-Messstation mit Einzelzutritt für Kühe steht in Dummerstorf und soll neue Daten generieren
Weiterlesen

Agroscope

Weniger Methan pro Liter Milch

Im Zeitraum zwischen 1990 und 2012 nahmen in der Schweiz die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft um neun Prozent ab, während die Nahrungsmittelproduktion leicht gesteigert werden konnte
Weiterlesen

Kamele stossen weniger Methan aus als Kühe und Schafe

Kamele stossen weniger Methan aus als Kühe und Schafe

Wiederkäuer atmen bei ihrer Verdauung Methan aus. Ihr Anteil an diesem weltweit produzierten Treibhausgas ist beachtlich. Bisher nahm man an, dass ähnlich verdauende Kamele in gleicher Menge das klimaschädigende Gas produzieren
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen