„Kälbermama“ hilft Forschern bei Lösungssuche nach besten Aufzuchtbedingungen

(29.03.2016) Ähnlich wie Babys bekommen Kälbchen in einem Forschungsprojekt der Universität Rostock und des Gutes Dummerstorf mehrmals am Tag Milch. So viel sie wollen.

„Die Kälberaufzucht in den ersten zwei Wochen ist die sensibelste Phase in der gesamten Jungviehaufzucht. Kälber, die in den ersten beiden Lebensmonaten krank waren, haben oftmals ein schlechter entwickeltes Organsystem und sind später weniger leistungsfähig als gesunde Kälber.


Prof. Petra Wolf (Foto l. oben und unten Bildmitte) und ihre Mitstreiter v. l. n. r. Johannes Brade, Matthias Miesorski, Lena Zirpins und Nancy Thiemann
Besonders Durchfallerkrankungen schwächen das Immunsystem“, sagt Petra Wolf, Professorin für Ernährungsphysiologie und Tierernährung an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock.

„Werden die Kälbchen gleich nach der Geburt ausreichend mit Milch versorgt, haben sie weniger Durchfall, sind vitaler, fühlen sich wohler. Und es sind später die Kühe, die widerstandsfähig sind und mehr Milch geben“, sagt Petra Wolf.

Die Wissenschaftlerin beruft sich auf erste Untersuchungen von Forschern aus Zürich und Schleswig Holstein, die das belegen. Allerdings wurde den Tierbabys die Milch einmal, maximal zweimal am Tag, dann jedoch in großer Menge angeboten.

Die Rostocker Uni hat diese Studie vor einem Jahr aufgegriffen und das Gut Dummerstorf (470 Milchkühe) als Kooperationspartner gewonnen. Allerdings mit einer anderen Art des Tränkeangebotes für die kleinen Vierbeiner.

„Wir simulieren mit einer so genannten Kälbermama, die dem Euter einer Kuh nachempfunden ist, die normale Milchaufnahme“, sagt Professorin Wolf.

Die Kälbchen können dann soviel trinken, und so oft, wie sie wollen. Einige schlucken bis zu 21 Liter pro Tag. In der Praxis ist es seit je her üblich, dass die Kälber am Tag um die 7,5 Liter Milch über drei Mahlzeiten verteilt bekommen.

Der Rostocker Master-Student Matthias Miesorski hat sich in seiner Bachelorarbeit mit dem Saugverhalten neugeborener Kälber beschäftigt. Dabei wurde das Futter der einen Gruppe dreimal am Tag (aber immer nur 2,5 Liter) angeboten.

Die andere Gruppe der Kälber saugte an einem Automaten, also der so genannten Kälber-Mama, bekam dort die Milch unbegrenzt zur freien Verfügung. „Die Kälbchen, die wussten, dass am Automaten immer Milch zur Verfügung steht, waren weniger hektisch. Sie tranken über den Tag verteilt viele kleine Mahlzeiten.

Außerdem zeigten diese Kälber in geringerem Umfang, wie oft zu beobachten, ein gegenseitiges Besaugen oder ein Lecken an der Stalleinrichtung.

Die Befürchtung, dass es durch die großen Mengen an Milch zu Durchfallerkrankungen kommt, wurde nicht bestätigt“, konstatiert Matthias Miesorski. Er gehört zu einer Gruppe von vier Studenten, die sich insbesondere in dem Forschungsprojekt dem Thema Tierwohl widmen.

Diese Erkenntnis überrascht Professorin Wolf nicht. „Die Kälbchen in unserem Forschungsprojekt verzeichnen täglich eine gute Gewichtszunahme, haben ein glänzendes Fell, sind putzmunter und ohne Durchfall“.

Professorin Wolf, die in Kassel geboren wurde, in Hannover studierte, an der dortigen Stiftung der Tierärztlichen Hochschule Hannover promovierte und ebenfalls dort Ihre berufliche Laufbahn begann, sieht durch die Kälbermama zudem eine entscheidende Arbeitserleichterung für die Bäuerin.

Sie müsse nicht mehr jedes einzelne Kälbchen aufwendig an das Trinken gewöhnen, denn die Kälbermama ist ja dem Euter der Mutterkuh nachempfunden und die Kälbchen folgen ihrem Instinkt. Und der Landwirt erhält sofort ein Signal auf sein Handy, wenn bei einem Kälbchen irgendetwas nicht stimmt. So sind die Tiere rund um die Uhr überwacht.

Für Petra Wolf, zu deren Freundeskreis Landwirte und Tierärzte gehören, die sich der Zucht von hornlosen Kühen widmen, geht auf in ihrer Forschung. Erste Ergebnisse wird sie noch in diesem Monat auf einer Tagung der Gesellschaft für Ernährungs-Physiologie in Hannover vorstellen. Einmal im Jahr treffen sich alle Experten der Tier-Ernährung aus Deutschland zu dieser Tagung.

Wolfgang Thiel



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