Chronobiologie: Pål Westermark und sein Team wollen die „innere Uhr“ von Nutztieren erforschen

(05.06.2017) Eigentlich ist sie unsichtbar, aber seit der Zeitumstellung kommt jedes Jahr im Sommer bei vielen Menschen die sogenannte „innere Uhr“ kräftig aus dem Rhythmus. Schlafstörungen, schlechtere schulische Leistungen und allgemeines Unwohlsein sind die Folge.

Seit 1980 werden die Uhren in Europa und weiteren Staaten im März eine Stunde vorgestellt und im Oktober wieder zurückgedreht. Damals steckte die Wissenschaft der Chronobiologie noch in den Kinderschuhen.

Inzwischen ist die Chronobiologie, die sich mit der zeitlichen Organisation von biologischen Systemen befasst, etabliert und in aller Munde. Bei Mäusen und Menschen sind die Regelmäßigkeiten und rhythmisch wiederkehrende Faktoren in der Lebensweise bereits sehr gut untersucht.

Die meisten Abläufe im Körper folgen einem tageszeitlichen Rhythmus, so beispielsweise das Schlafen, die Hormonproduktion, der Stoffwechsel und die Gehirnleistung. Ein Team mit dem schwedischen Wissenschaftler Dr. Pål Westermark an der Spitze möchte jetzt auch die innere Uhr von Nutztieren untersuchen.


Dr. Pål Westermark mit einer Dummerstorfer Labormaus

Wie ticken Kuh, Schwein und Co. und welche Auswirkungen haben bestimmte Lebensabläufe und Rahmenbedingungen auf das Tierwohl?

Dr. Pål Westermark bezeichnet sich selbst als eine „leichte Eule“, vermutlich geprägt vom eigenen Vater. In der Chronobiologie wird zwischen Früh- und Spättypen unterschieden.

Der Frühtyp, die Lerche, ist schon morgens sehr aktiv, die Eule als Spättyp eher abends. Diese Grundausrichtung beeinflusst die Menschen bei der Uhrenumstellung, wobei die Spättypen eher unter dem künstlichen Eingriff in unseren Tagesablauf leiden.

Seit zwölf Jahren erforscht der 43-Jährige typische Verhaltensmuster und physiologische Prozesse an Mäusen, deren Lebensrhythmus unterschiedlich beeinflusst wird. Seit 2005 an der Humboldt-Universität und der Charité in Berlin und seit November 2016 am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN).

„Die innere Uhr hat eine weitaus größere Bedeutung als bisher angenommen, ständig werden neue Erkenntnisse gewonnen“, sagte Dr. Pål Westermark.

„In jeder Zelle sitzt sinnbildlich eine kleine Uhr, die zuverlässig wie ein elektronisches System funktioniert. Deshalb haben wir in Berlin unter anderem auch mit Physikern zusammengearbeitet, um das innere Uhrwerk besser zu verstehen“, so der Biophysiker.

„Äußere Umstände haben eine enorme Auswirkung auf unsere innere Uhr, die wiederrum das eigene Immunsystem und praktisch fast alle Lebensfunktionen mehr oder weniger stark beeinflusst. Klar ist, in jedem Säugetier und vermutlich in jedem Lebewesen tickt eine innere Uhr.“

Das haben auch Forschungen unter anderem an Fruchtfliegen und Pflanzen ergeben, deren innere Uhren mittlerweile gut verstanden werden.

Wissen, was Tieren gut tut

Am Dummerstorfer Institut möchte der in Uppsala geborene und in Stockholm aufgewachsene Wissenschaftler nun nach zwölf Jahren Grundlagenforschung in der Chronobiologie den nächsten Schritt gehen.

„Wir bereiten aktuell am FBN die Erforschung von Biorhythmen an Kühen vor“, erläuterte Westermark. Später sollen auch Schweine einbezogen werden. Weltweit sind nur wenige Forschergruppen bekannt, die chronobiologische Prozesse an Nutztieren erforschen. „Die Wissenschaft steht da noch ganz am Anfang.“

Mit Hilfe von statistischen Methoden und Verfahren, die im Institut für Genetik und Biometrie gegenwärtig entwickelt werden, sollen die erhobenen Daten ausgewertet und die innere Uhr „vermessen“ werden. Wie beeinflussen unterschiedliche Lebensrhythmen bei der Kuh körperliche Funktionen, Leistung und Wohlbefinden?

Das betrifft vor allem das Licht, das Essverhalten, Stress- und Ruhezustände, die Regeneration im Schlaf, den Lärm und das Stalldesign. „Dabei geht es uns auch darum, die individuellen genetischen und erblichen Ursachen zu identifizieren“, so Westermark.

„Unsere Vision ist zu lernen, was die innere Uhr für das grundlegende Wohlbefinden der Tiere bedeutet. In der Folge hat das auch eine immense Bedeutung für die Humanbiologie.“


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