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Im Wellenbecken haben die Braunschweiger Wissenschaftler*innen die Seetangfarm im Maßstab 1:20 nachgebaut.
Kristina Rottig/TU Braunschweig
Allgemein

Offshore-Aquakultur: Die Zukunft der Algenzucht

Die Aquakultur ist der weltweit am schnellsten wachsende Lebensmittelsektor. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, sind Lösungen außerhalb der durch Schifffahrt, Tourismus und Ausbau von Küstenbauwerken belasteten Küstengewässer gefragt.

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Das internationale Verbundprojekt „Ngā Punga o te Moana – Anchoring Our Open Ocean Future “, an dem die TU Braunschweig beteiligt ist, setzt genau hier an. Es verfolgt das Ziel, die Aquakultur aus überlasteten Küstenregionen in offene, exponierte Offshore-Gebiete zu verlagern. Expert*innen aus den Bereichen Wasserbau, Statik und Meeresbiologie arbeiten zusammen, um Technologien zu entwickeln, die den extremen Bedingungen auf hoher See standhalten.

Die Verlagerung der Aquakultur in küstenferne Gebiete hat handfeste Vorteile. Offshore-Standorte bieten mehr Platz für Expansion, saubereres und kühleres Wasser, weniger Bewuchs der Zuchtstrukturen durch Meerestiere und ein reichhaltiges Nahrungsangebot für die gezüchteten Arten. Darüber hinaus hat hier die Aquakultur weniger negative Auswirkungen auf den Lebensraum am Meeresboden. 

„Damit könnte also das landwirtschaftliche Potenzial der offenen See erschlossen werden“, sagt Professor Nils Goseberg, Leiter des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der TU Braunschweig.

Allerdings sind diese Gebiete auch mit deutlich größeren Herausforderungen verbunden: Tiefere Gewässer, stärkere Strömungen und höhere Wellen stellen hohe Anforderungen an die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Aquakulturanlagen. 

Ein entscheidender Aspekt ist daher die präzise Bestimmung der Kräfte, die auf die Infrastruktur wirken, um eine Überdimensionierung, die zu hohen Kosten für die Anker und deren Komponenten führt, ebenso zu vermeiden wie eine Unterdimensionierung, die ein Versagen des Systems bei Sturm zur Folge hätte. 

Größere Entfernungen von der Küste wirken sich zusätzlich auf die Kosten für Anfahrt und Wartung aus, was wartungsarme Anlagen erfordert.

Innovative Algenfarm vor Neuseelands Küste

Ein Ziel des internationalen Projekts „Ngā Punga o te Moana – Anchoring Our Open Ocean Future“ ist daher die Entwicklung einer neuartigen Seetangfarm, die als Prototyp vor der Küste Neuseelands installiert werden soll. Seetang ist äußerst flexibel und bewegt sich mit den Wellen, wodurch sich seine Angriffsfläche ständig verändert.

„Diese zusätzliche Dynamik erschwert die Berechnung der auf den Seetang und die gesamte Farm wirkenden Kräfte – ein Aspekt, der bislang wissenschaftlich nur unzureichend erforscht ist“, erklärt Projektmitarbeiter Henrik Neufeldt vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau.

Die Forschungsarbeit der Wissenschaftler*innen am Leichtweiß-Institut für Wasserbau umfasst sowohl Experimente im Wellenkanal und Wellenbecken als auch Computermodellierungen, um das Verhalten von Seetang und Farmstruktur unter realen Bedingungen zu analysieren. In der ersten Versuchsreihe untersuchten die Forschenden im 2-Meter-Wellenkanal die Kräfte und die Bewegung von Seetang auf Langleinen.

Das sind Kunststoffseile, an denen der Seetang wächst, die durch Schwimmkörper an der Wasseroberfläche gehalten werden und deren Enden mit dem Grund verankert sind. Dazu wurden Ersatzkörper mit gleicher Steifigkeit und Dicke erstellt, um die Verformungen der Algen realistisch abbilden zu können.

„Auch die Form wurde dem Seetang nachempfunden“, so Henrik Neufeldt. Spezielle Sensorsysteme, wie zum Beispiel das Particle-Tracking-Velocimetry (PTV) System, erfassen das Strömungsfeld um die Struktur, während die auf die Pflanzen wirkenden Kräfte durch sogenannte Kraftmessdosen bestimmt werden.

Ziel der Experimentreihe ist es, herauszufinden, wie sich die Kräfte und Bewegungen des Seetangs unter verschiedenen Wellenbedingungen verändern und wie sich benachbarte Kultivierungsleinen gegenseitig beeinflussen. Diese Erkenntnisse fließen in Computermodelle ein, um die Lastenbestimmung für das Gesamtsystem zu überprüfen und weiter zu optimieren.

Realistische Offshore-Bedingungen im Wellenbecken

In einer zweiten Versuchsreihe im Wellenbecken haben die Braunschweiger Wissenschaftler*innen die Seetangfarm im Maßstab 1:20 nachgebaut. Hier lag der Fokus auf der Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit des Systems unter realistischen Offshore-Bedingungen. 

Unterschiedliche Materialien für die Kopfleinen, die die Kultivierungsleinen miteinander verbinden und damit als Anschlusspunkte zwischen Anker und Farm dienen, sowie verschiedene Arten von Verankerungssystemen wurden getestet, um optimale Bedingungen für das Wachstum des Seetangs sicherzustellen.

„Dabei sind vor allem Spannung und Stabilität der Leinen entscheidend, um gleichbleibende Wachstumsbedingungen hinsichtlich Licht und Nährstoffen zu gewährleisten“, sagt Henrik Neufeldt. Durch die Kombination von Kraftsensoren, Wellenpegeln, Geschwindigkeitssensoren und Motion-Tracking-Kameras konnten die Forschenden die Verformungen und Bewegungen des Systems detailliert erfassen und analysieren.

Übergeordnetes Ziel der Forschung ist es, die Offshore-Aquakultur nachhaltig und effizient zu gestalten, um den wachsenden Bedarf an marinen Ressourcen zu decken – stets unter dem Aspekt der ökologischen Verantwortung. Durch die Entwicklung neuer Technologien soll die Zukunft der Aquakultur nicht nur enorme Produktionsmöglichkeiten auch jenseits der reine Nahrungsmittelproduktion eröffnen, sondern auch dazu beitragen, die Meeresumwelt zu schonen.

Projektdaten

Das vom Cawthron Institute in Neuseeland geleitete Projekt zur Aquakultur im offenen Ozean, „Ngā Punga o te Moana“, ist ein fünfjähriges (2021–2026) nationales Forschungsprogramm. 

Das Projekt wird durch den Endeavour Fund der neuseeländischen Regierung mit rund 11 Millionen Neuseeländische Dollar finanziert und zielt darauf ab, die Herausforderungen zu bewältigen, um die Expansion der Aquakulturindustrie in den offenen Ozean zu ermöglichen.

An dem internationalen Projekt sind Forschende aus Neuseeland, USA, Irland, Chile, Norwegen und Deutschland beteiligt. Die TU Braunschweig ist mit dem Leichtweiß-Institut für Wasserbau in Kooperation mit der iTUBS, der Innovationsgesellschaft der TU Braunschweig, eingebunden.

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