Vermeintliches Massenaussterben der Haie vor 19 Millionen Jahren neu interpretiert

(13.12.2021) Massenaussterbe-Events zählen zu den spannendsten Forschungsgebieten. Ein besonders dramatisches Ereignis, dem anscheinend ein Großteil der Tiefseehaie zum Opfer fiel, wurde kürzlich in Tiefseebohrkernen dokumentiert.

Doch nicht jede Katastrophe hält einer kritischen Überprüfung stand, wie neue Studienergebnisse des NHM Wien zeigen.

Haie weisen eine über 400 Millionen Jahre andauernde Erfolgsgeschichte auf und trotzen allen großen Massenaussterbe-Events. Neben den einschneidendsten Umweltkatastrophen an der Perm-Trias-Grenze (vor rund 252 Millionen Jahren) und der Kreide-Paläogen-Grenze (vor rund 66 Millionen Jahren) kam nun vor kurzem ein für Tiefseehaie weitaus dramatischeres Aussterbe-Ereignis hinzu.


Die Menge an Schuppen in den Bohrkernen wurde vereinfacht als Maß für die Häufigkeit der Tiere gewertet.

Zwei US-Wissenschaftlerinnen berichteten jüngst im Fachjournal „Science“ über einen Rückgang der Haidiversität vor 19 Millionen Jahren mit einem Einschnitt der Häufigkeit von Tiefseehaien von über 90%. Aufgrund der relativen Stabilität der Tiefsee auf kurzzeitige Umweltveränderungen ist dieser enorme Rückgang der Tiefseehaie alarmierend und überraschend zugleich.

Forscherinnen und Forscher des Naturhistorischen Museums Wien und einige internationale Kollegen waren jedoch skeptisch, denn sie sahen kein derartiges Ereignis in ihren Daten. „In mehreren durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Projekten haben wir in Italien, Griechenland, der Türkei, Tansania, Indien, Sri Lanka und dem Oman gleich alte Meeresablagerungen untersucht.

Nirgends gab es Hinweise auf ein Aussterbeereignis vor 19 Millionen Jahren“, so Studienmitautor Dr. Mathias Harzhauser, Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung am NHM Wien.

Die von den US-Wissenschaftlerinnen herangezogenen Daten beruhten auf Haischuppen aus wenigen Gramm Sediment aus Tiefseebohrkernen. Die US-Forscherinnen übersahen dabei jedoch, dass der Eintrag an Sand und Schlamm im südlichen Pazifik genau zu der Zeit des postulierten Ereignisses sprunghaft anstieg.

Daher waren in der gleichen Probenmenge plötzlich viel weniger Fossilien zu finden, was fälschlich als dramatisches Aussterbeereignis interpretiert wurde.

„Wir haben die Originaldaten einfach durch die Sedimentationsraten korrigiert und dabei zeigte sich, dass das vermeintliche Aussterbeereignis ein Artefakt ist. Von den globalen Klimaänderungen des Miozäns waren die Haie in der Tiefsee nicht sonderlich beeindruckt“, erklärt Studienleiterin Iris Feichtinger, MSc., vom NHM Wien.

Publikation

Comment on "An early Miocene extinction in pelagic sharks". Feichtinger I., Adnet S., Cuny G., Guinot G., Kriwet J., Neubauer T.A., J. Pollerspöck J., Shimada K., Straube N., Underwood C., Vullo R. & Harzhauser M. Science: doi: 10.1126/science.abk0632


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