Was der Fischer davon hat, die Evolution des Kabeljaus zurückzudrehen
Überfischung und Übernutzung der Meere haben bei Fischbeständen wie dem Kabeljau zu evolutionären Veränderungen geführt, die die Produktivität und den Marktwert der Fischebestände schmälern.
Ein nachhaltigeres und vorausschauendes Management der Fischereien könnte diese Veränderungen rückgängig machen.
Eine neue Studie, die im Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlicht wurde, zeigt, dass diese Umkehr der evolutionären Veränderungen sich nur geringfügig auf den Gewinn der Fischereien auswirken, aber zum Erhalt der natürlichen genetischen Vielfalt beitragen würde.
Die Auswirkungen globaler Überfischung auf die Meeresökosysteme sind verheerend: Nicht nur die Fischbestände gehen zurück, auch die Qualität mariner Lebensräume und deren Artenvielfalt nehmen immer schneller ab. Weniger offensichtlich sind die Auswirkungen der Fischerei auf die Größe und Altersstruktur der Fischbestände und evolutionäre Veränderungen. Die Fische wachsen häufig langsamer, werden bei geringerer Größe geschlechtsreif und pflanzen sich früher fort. So wird der in der Vergangenheit stark befischte Nordsee-Kabeljau beispielsweise mit durchschnittlich 50 cm geschlechtsreif, während bei einer nicht befischten Population 70 cm zu erwarten wären.
Eine frühere Fortpflanzung kann den Fischbestand kurzfristig widerstandsfähiger machen, über längere Zeiträume führt dies jedoch zu Populationen mit kleineren Fischen, die weniger Nachwuchs zeugen. „Letztendlich kann das die Produktivität eines Bestandes und dessen Marktwert verringern“, erklärt Erstautorin Hanna Schenk vom iDiv und der Universität Leipzig.
„Darüber hinaus wissen wir noch recht wenig über die potentiellen Auswirkungen etwa auf die Nahrungskette oder Ökosysteme. Hier können sich Veränderungen dann wiederum auf die befischten Arten auswirken und wichtige ökologische Funktionen beeinträchtigen.“
Nur langfristige Planung kann evolutionäre Veränderungen umkehren
Doch die Evolution ist keine Einbahnstraße. Daher untersuchten Forschende von iDiv, UL und dem Institut für Meeresforschung in Tromsø (Norwegen), was nötig ist, um den evolutionären Verfall nach Jahrzehnten der Übernutzung rückgängig zu machen.
Im Fokus ihrer Untersuchungen lagen dabei vor allem die Planungshorizonte des Fischereimanagements. Dafür entwickelten sie ein Modell, das verschiedene Aspekte berücksichtigt: Biologische wie Wachstum und Reproduktion sowie ökonomische wie die Kosten und die Vorlieben der Konsumenten. Die Forschenden untersuchten auch mögliche Konflikte zwischen wirtschaftlichem Gewinn und Naturschutzzielen.
Sie fanden heraus, dass sich der evolutionäre Wandel nur mit Hilfe sehr langer Planungshorizonte umkehren lässt, die bis ins nächste Jahrhundert reichen.
Mit der weitaus üblicheren kurzfristigen Planung können sich zwar die Bestände hinsichtlich ihrer Biomasse erholen, der evolutionäre Verfall schreitet jedoch weiter voran, wenngleich deutlich langsamer. „Fischereien gehen typischerweise von Planungshorizonten von wenigen Jahren aus. Das steht im Kontrast zu den langfristigen Nachhaltigkeits- und Biodiversitätszielen“, so Hanna Schenk.
Doch auch etwas vorausschauendere Planungshorizonte helfen lediglich dabei, die Bestände wiederaufzubauen, hielten den evolutionären Verfall aber nicht auf. Diesen Prozess umzukehren dauere laut Schenk deutlich länger als die Erholung der reinen Biomasse und gelänge nur mit Planungshorizonten von hundert Jahren und mehr.
Angepasste Schutzziele würden Gewinne aus Fischerei kaum reduzieren
Die Forschenden konnten zeigen, dass Naturschutzziele, die nicht nur auf die Fischbestände, sondern auch auf deren genetische Zusammensetzung abzielen, die Gewinne von Fischern nur wenig schmälern würden.
Die Kosten und die Zeit, die für diese evolutionäre Umkehr nötig sind, könnten weiter verringert werden, wenn Fischereien Fische mit bestimmten genetischen Merkmalen bevorzugt befischten, was etwa durch die Wahl von Zeitpunkt und Ort beeinflusst werden kann.
Allerdings sehen die bisherigen Schutzziele die Erhaltung der genetischen Vielfalt nicht vor, so etwa Ziel 14 der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs), das ein Ende der Überfischung fordert.
„Indem man stärker selektiv fischt, könnte man den evolutionären Verfall längerfristig umkehren“, sagt Letztautor Martin Quaas von iDiv und der UL.
Wirtschaftliche Anreize allein würden jedoch wahrscheinlich nicht ausreichen um dieses Nachhaltigkeitsziel zu erreichen, daher sollten genetische Vielfalt und Naturschutz auch in den SDGs und UN-Biodiversitätszielen enthalten sein.
„Aus der Perspektive einen Ökonomen hätte die Fischerei diese unerwünschten evolutionären Veränderungen größtenteils verhindern sollen. Jetzt, da diese Veränderungen aber nun einmal stattgefunden haben, wird es auf kurze Sicht kostspielig sie wieder umzukehren. Langfristig lohnt es sich aus ökonomischer Sicht aber.“
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