Wie Spinnen ihre Netze verkleben

(11.08.2014) Spinnenfäden sind leicht und fein, und dabei unglaublich belastbar und reißfest. Den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden zu verstehen, ist eine Herausforderung, der sich ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gestellt hat.

Die Wissenschaftler haben die Haftfähigkeit und die Zugfestigkeit einer speziellen Seide an fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Diese wird von Spinnen genutzt, um den eigentlichen Faden mit Untergründen zu verbinden.

Dabei haben sie herausgefunden, dass insbesondere der Untergrund einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat, wie sie in ihrer neuen Studie in der Fachzeitschrift J. R. Soc. Interface zeigen.


Ingo Grawe, Erstautor der Studie, mit einer Spinne deren Haftscheiben die Forscher untersuchten

Die Arbeitsgruppe von Professor Stanislav Gorb (Zoologisches Institut, CAU) beschäftigt sich mit der funktionellen Analyse von tierischen Oberflächen: Warum halten Geckofüße an der Wand? Oder: Warum scheuert die Schlangenhaut nicht durch, während sich die Schlange vorwärts bewegt?

Neuestes Studienobjekt der Kieler Wissenschaftler sind Spinnenfäden: Der sogenannte Sicherheitsfaden wird von Spinnen zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes verwendet.

Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Haftscheibe entsteht bei rotierenden Bewegungen der Spinnwarzen und wird in einem speziellen Gittermuster aufgetragen.

Unter der Leitung von Stanislav Gorb untersuchten die Forscher, wie Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. „Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und auf das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben hinterließen.


Eine Haftscheibe unter dem Lichtmikroskop. Der Durchmesser beträgt etwa einen Zehntel Millimeter

Dann haben wir durch Zugversuche die Kräfte gemessen, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen“, erklärt Jonas Wolff, Autor der aktuellen Studie.

Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie gerissen sind, bevor es zu einer Ablösung kam, so Wolff weiter. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten.

„Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst“, ergänzt Wolff.

Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass Pflanzenoberflächen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachsen ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Diesem Problem sind natürlich auch die Spinnen ausgesetzt, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen.

„Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln“, so Wolff weiter.

Momentan untersucht das Team, wie genau die Haftscheiben aufgebaut sind und funktionieren. „Unsere Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuartiger hocheffizienter, ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein“, erläutert Projektleiter Gorb die Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der Forschung potenziell ergeben könnten.

Originalpublikation

Grawe, I., Wolff, J.O. und Gorb, S.N. (2014): Composition and substrate-dependent strength of the silken attachment discs in spiders. Journal of the Royal Society Interface, 11: 20140477, http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2014.0477



Weitere Meldungen

Fotos und Nachzeichnungen Originalfossils; Bildquelle: Jason Dunlop

Die älteste Spinne Deutschlands

In einem kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift Paläontologische Zeitschrift veröffentlichten Artikel beschrieb Dr. Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde Berlin die älteste jemals in Deutschland entdeckte Spinne
Weiterlesen

Larven von Köcherfliegen; Bildquelle: Wikimedia Commons, Bob Henricks, Lizenz CC BY-SA 2.0


Gen zur Seidenproduktion bei Spinnen zeigt individuelle Strukturen

Wo genau im Erbgut der Tiere die Fähigkeit verankert ist, unterschiedliche Beschaffenheiten von Seide zu bilden, und wie sich diese im Detail im Laufe der Evolution entwickelt hat, ist bisher kaum erforscht
Weiterlesen

Pseudopoda virgata; Bildquelle: Peter Jäger, Senckenberg

99 Riesenkrabbenspinnen-Arten neu beschrieben

Senckenberg-Spinnenforscher Dr. Peter Jäger hat gemeinsam mit Forschern aus China 99 neue Arten beschrieben
Weiterlesen

Krabbenspinnen der Australomisidia ergandros auf ihrem Nest aus Eukalyptusblättern.; Bildquelle: Jasmin Ruch

Australische Spinne Australomisidia ergandros: Männchen kooperieren häufiger als Weibchen

Männchen der australischen Spinne Australomisidia ergandros teilen ihre erjagte Beute eher mit den anderen Mitgliedern der Verwandtschaftsgruppe als die Weibchen
Weiterlesen

Die Spinnen sind nur etwa halb so groß wie ihre Ameisen-Beute; Bildquelle: Alfonso Aceves-Aparicio

Spinne fängt gefährliche Beute mithilfe akrobatischer Jagdstrategie

Erstmalig hat ein Forschungsteam mithilfe detaillierter Verhaltensanalysen gezeigt, wie die australische Spinne Euryopis umbilicata (ant-slayer) wesentlich größere und wehrhafte Beute erlegt
Weiterlesen

Springspinne (Evarcha arcuata) nachts in der hängenden "Schlaf"-Position (an einem seidenen Faden); Bildquelle: Daniela Rößler

Können Springspinnen träumen?

Die Konstanzer Biologin Dr. Daniela Rößler und ihr Team haben bei Springspinnen einen REM-Schlaf ähnlichen Zustand
Weiterlesen

Die Wespenspinne Argiope bruennichi mit Eikokon.; Bildquelle: Gabriele Uhl

Genetische Geschlechtsbestimmung bei Spinnen

Wissenschaftler*innen der Universitäten Greifswald, Hamburg und Prag haben für die europäische Wespenspinne genetische Marker entwickelt, die es erlauben, das Geschlecht winziger Jungspinnen aufzudecken
Weiterlesen

Spinnen

Spinnen - Alles, was man wissen muss

Spinnen-Wissen kompakt: Globalisierung und Artenreichtum | Anatomie und Verhalten | Von Menschen und Spinnen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen