Neu entdeckt: Schneckenfresser-Schildkröte

(08.04.2016) Senckenberg-Wissenschaftler haben gemeinsam mit Kollegen des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn und aus den USA, Thailand und Kambodscha eine neue Schildkrötenart beschrieben.

Das im Nordosten Thailands lebende Reptil ernährt sich unter anderem von Wasserschnecken und wird von der dortigen Bevölkerung als Nahrungsmittel und für religiöse Zwecke genutzt.

Bisher wurde die Schildkröte einer anderen Art zugeordnet – mit dem neuen Artstatus ergibt sich auch ein erhöhtes Schutzbedürfnis. Die Studie wurde heute im renommierten Fachjournal „PLOS ONE“ veröffentlicht.


Die neu entdeckte Schneckenfresser-Schildkröte Malayemys khoratensis.

Mit etwas Glück kann man sie sogar in den Kanalsystemen und Tempelteichen großer Städte entdecken: Die Schildkröten der Gattung Malayemys. Die Schneckenfresser-Schildkröten bevorzugen flache Gewässer im südostasiatischen Tiefland; ihren Namen verdanken die Panzerträger ihrer Vorliebe für Wasserschnecken.

Die Schildkröten mit dem maximal 22 Zentimeter langen Panzer wurden bisher in zwei Arten aufgeteilt – in einer Studie sollte diese Gliederung nun überprüft werden. „Durch genetische Untersuchungen stellt sich immer wieder heraus, dass beschriebene Arten eigentlich zu einer Art gehören“, erklärt Prof. Dr. Uwe Fritz, Direktor der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Zu unserer Überraschung wurde es aber in diesem Fall eine Art mehr!“

Gemeinsam mit seiner Kollegin Flora Ihlow, Doktorandin am zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn, und einem internationalen Team hat Fritz mit molekulargenetischen Methoden die neue Schneckenfresser-Schildkrötenart Malayemys khoratensis entdeckt.

„Und auch morphologisch lässt sich die neue Art von den beiden anderen Malayemys-Arten unterscheiden“, erläutert Ihlow und ergänzt: „Jede Art hat eine eigene, ganz spezielle Gesichtszeichnung.“

92 Schildkröten aus 26 Lokalitäten in Kambodscha und Thailand hat das Wissenschaftlerteam untersucht – die Tiere stammen von Märkten, aus der freien Wildbahn und auch „road kills“, überfahrene Tiere, ließen die Schildkröten-Forscher bei ihrer Studie nicht aus.

„Unsere kombinierten Untersuchungen zeigen eindeutig, dass es sich insgesamt um drei Schneckenfresser-Schildkrötenarten handelt. Neben der Genetik und Morphologie können wir auch zeigen, dass sich die drei Arten untereinander nicht fortpflanzen – außerdem treten sie in klar abgegrenzten Verbreitungsgebieten auf“, ergänzt Fritz.

Die neue Art konnte bisher nur im Nordosten Thailands – auf dem namensgebenden Khorat Plateau – ausfindig gemacht werden, auch die beiden anderen Arten scheinen nur getrennt voneinander aufzutreten.

Ihlow hierzu: „Wir gehen davon aus, dass verschiedene Faktoren in der Erdgeschichte, wie beispielsweise Gebirgshebungen, dafür verantwortlich sind, dass sich die drei Arten getrennt voneinander entwickelten.“

Auch die intensive Nutzung der kleinen Panzerträger durch die heimische Bevölkerung als Nahrungsmittel und zu religiösen Zwecken führte bisher nicht zu einer Durchmischung der Verbreitungsgebiete.

In Kambodscha sind die Schneckenfresser-Schildkröten bisher ohne Schutzstatus, in Thailand stehen die zwei bekannten Arten unter Schutz.

„Der Schutzstatus muss durch das Hinzukommen der neuen Art aber überarbeitet werden“, meint Fritz und fügt hinzu: „Die Bestände sind jetzt schon gefährdet – durch die neue Art verkleinern sich die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten noch weiter.“



Weitere Meldungen

Riesenschildkröte Peltocephalus maturin; Bildquelle: Júlia d‘Oliveira

Neu entdeckte fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt

Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben
Weiterlesen

Gefleckte Weichschildkröte (Pelodiscus variegatus) ; Bildquelle: T. Ziegler

Studie zur Verbreitung der Gefleckten Weichschildkröte liefert Basis für Schutzprogramm

Erhaltungszuchtprogramme sollen den Schutz der vom Aussterben bedrohten Gefleckten Weichschildkröte unterstützen
Weiterlesen

Die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) kann bis zu zwei Meter groß werden.; Bildquelle: National Seashore, WikimediaCommons

Panzergröße: Wie sich Schildkröten in den letzten 200 Millionen Jahren entwickelten

Internationale Forschende haben die bisher umfänglichste Datensammlung zu Körpergrößen von rezenten und fossilen Schildkröten zusammengestellt
Weiterlesen

Perfekt erhaltenes Schildkrötenfossil von Solnhofia parsonsi, ca. 150 Millionen Jahre alt.; Bildquelle: Felix Augustin/Universität Tübingen

Perfekt erhaltenes Schildkröten-Fossil ermöglicht Rückschlüsse auf Lebensraum vor 150 Millionen Jahren

Forscherteam der Universität Tübingen beschreibt Meeresschildkröte aus dem Oberjura - über Süddeutschland erstreckte sich damals tropisches Archipel
Weiterlesen

Projektleiterin Maria Schindler mit Europäischer Sumpfschildkröte; Bildquelle: Daniel Zupanc

Nachwuch bei den Europäischen Sumpfschildkröten in den Donau-Auen

Die einzige heimische Schildkrötenart ist in Österreich von der Ausrottung bedroht. Denn es gibt nur noch eine intakte, sich fortpflanzende Population im Nationalpark Donau-Auen
Weiterlesen

Doris Preininger bei der Wiederansiedelung der Batagur-Flussschildkröte in Bangladesch; Bildquelle: Rupert Kainradl

Schönbrunner Artenschutzprojekt sichert Überleben der Batagur-Flussschildkröte

Am 21. Oktober ist „Reptile Awareness Day” – weltweit ist jede fünfte Reptilienart von der Ausrottung bedroht, mehr als die Hälfte davon sind Schildkrötenarten
Weiterlesen
Bauchpanzer (links) und Rückenpanzer (rechts) der neu beschriebenen Schildkrötenart; Bildquelle: Zoltan Csiki-Sava

Schildkröten in Osteuropa überlebten das Massensterben der Dinosaurier

Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht 70 Millionen Jahre alte Fossilien aus dem heutigen Rumänien
Weiterlesen

Das Verbreitungsgebiet der großen asiatischen Flussschildkröte Batagur trivittata ist um mindestens 90 Prozent geschrumpft.; Bildquelle: Rick Hudson

Über 50 Prozent aller Schildkrötenarten bedroht

Ein Team internationaler Wissenschaftler aus den USA, Frankreich, Australien und Deutschland, unter ihnen Senckenberger Uwe Fritz, hat die 9. Auflage des Atlas „Turtles of the World“ veröffentlicht
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen