Artenschutz durch Forstwirtschaft: Fahrspuren im Wald schützen bedrohte Gelbbauchunke

(28.09.2022) Universität Hohenheim präsentiert praxisnahes Konzept zum Unkenschutz in der Waldbewirtschaftung.

Sie sehen nach Zerstörung aus, schaffen aber wichtige Lebensräume: Fahrspuren auf Rückegassen im Wald. Die Gelbbauchunke braucht diese zum Überleben. Mit ihren herzförmigen Pupillen und dem gelb-schwarz gemusterten Bauch ist sie ein besonderer, aber mittlerweile seltener Anblick in süddeutschen Wäldern.

Sie ist stark gefährdet und streng geschützt. Herkömmliche Maßnahmen zum Amphibienschutz eignen sich allerdings nicht zum Schutz der Pionierart Gelbbauchunke.


Geschützt durch Fahrspuren im Wald: Die bedrohte Gelbbauchunke benötigt die seltenen Pfützen zum Überleben.

Nun haben Forschende der Universität Hohenheim in Stuttgart ein nachhaltiges Schutzkonzept zur Herstellung von Laichgewässern für die bedrohte Art erarbeitet. Sie empfehlen, Schutzmaßnahmen in die Waldbewirtschaftung zu integrieren. Infos und Praxis-Leitfaden: https://www.unkenschutz-bw.de

Schlammige Pfützen auf zerfurchten Waldwegen: Die Spuren der Forstwirtschaft stören das Bild einer vermeintlich unberührten Natur im Erholungsgebiet Wirtschaftswald.

Der gefährdeten Gelbbauchunke bieten solche Fahrspuren jedoch eine unverzichtbare Möglichkeit zur Vermehrung. Das zeigen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Universität Hohenheim.

Der globale Verbreitungsschwerpunkt der Gelbbauchunke liegt in Süddeutschland – daher trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für den weltweiten Erhalt dieser Art. Die Forschenden fanden heraus, dass die gefährdete Unke langfristig nicht von herkömmlichen Maßnahmen im Amphibienschutz profitiert, sondern spezielle Schutzkonzepte benötigt. Der Grund dafür: Die Pionierart kann sich nur in neu entstandenen, kurzlebigen Kleinstgewässern erfolgreich vermehren. Nur unmittelbar nach der Entstehung sind derartige Gewässer frei von Fressfeinden.

Die Dynamik des Entstehens und Vergehens von Kleinstgewässern war ursprünglich besonders in Auenlandschaften mit deren regelmäßigen Überschwemmungen gegeben.

Da solche Landschaften in Deutschland immer seltener werden, zieht es die Gelbbauchunke in Lebensräume, die eine ähnliche Störungsdynamik aufweisen – wozu die Wirtschaftswälder zählen.

Waldnutzung schafft seltene Laichgewässer

„Fahrspuren von Waldmaschinen auf Rückegassen schaffen ideale Laichgewässer für die Gelbbauchunke“, sagt Prof. Dr. Martin Dieterich, Leiter des Forschungsprojekts zum nachhaltigen Schutz der Gelbbauchunke. Innerhalb des ersten Jahres dienen solche Fahrspuren als Lebensstätte, in der sich die bedrohte Art vermehren kann.

Da Wirtschaftswälder im Zuge der Holzernte regelmäßig befahren werden, entstehen Laichgewässer immer neu. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts belegen: Die Gelbbauchunke vermehrt sich in diesen neuen Pfützen besonders erfolgreich.

Von dauerhaft angelegten Gewässern zum Amphibienschutz profitiert die Gelbbauchunke langfristig nicht. „In Baggertümpeln vermehrte sich die Gelbbauchunke im ersten Untersuchungsjahr zwar besonders gut“, berichtet Felix Schrell, Koordinator des Forschungsprojekts.

Aber: „Bereits im zweiten Jahr siedeln sich in diesen permanenten Gewässern auch Fressfeinde der Gelbbauchunke an. Der Nachwuchs der Pionierart hat dann keine Chance mehr zu überleben. Auch eine Sanierung dieser Gewässer, wie es für die Gelbbauchunke oft betrieben wird, bringt keinen populationserhaltenden Reproduktionserfolg.“

Forscher empfehlen Integration des Artenschutzes in Waldnutzung

„Die Gelbbauchunke hat in Baden-Württemberg nicht trotz, sondern wegen der Forstwirtschaft überlebt“, betont Prof. Dr. Dieterich. Der Artenschutz müsse im Fall der Unke daher in die Waldnutzung integriert werden. Dafür hat das Forschungsteam einen praxisnahen Leitfaden entwickelt.

Die Empfehlung lautet: Fahrspuren im Wald sollen während der Laichsaison der Gelbbauchunke über den Sommer erhalten bleiben und dann eingeebnet werden. Durch gezieltes Befahren der Gassen können die Spuren anschließend wieder neu entstehen.

Da die Fahrspuren bei Waldarbeiten ohnehin entstehen, fällt in der Forstwirtschaft kein besonderer Mehraufwand für den Artenschutz an. „Eine Win-Win-Situation für die Gelbbauchunke und für die Bewirtschafter“, fasst Prof. Dr. Dieterich zusammen. Um Laichgewässer auch außerhalb der Rückegassen zu schaffen, können im Frühjahr zudem Fahrspuren auf Wildäckern angelegt und im Zuge der regulären Bodenbearbeitung im Herbst wieder beseitigt werden.

Integrierter Artenschutz erfordert Akzeptanz in Bevölkerung und Naturschutz

Oft werden Fahrspuren auf Rückegassen unmittelbar nach den Waldarbeiten eingeebnet oder die Gassen vorbeugend mit Reisig bedeckt, sodass sich keine Pfützen bilden. Dadurch versuchen Forstleute mögliche Beschwerden aus der Bevölkerung oder von Naturschutzverbänden zu vermeiden – denn in der öffentlichen Wahrnehmung gelten die Fahrspuren gemeinhin als Zerstörung des Ökosystems Wald. „Dabei wird vergessen, dass Rückegassen gerade für den Bodenschutz im Wald ausgewiesen werden“, gibt Prof. Dr. Dieterich zu bedenken.

„Denn so bleibt die Befahrung von Waldböden zur Holz-Ernte auf die Rückegasse beschränkt. Die bereits vorgeschädigten Bereiche dienen im Fall der Gelbbauchunke dem Artenschutz.“

Die fehlende Akzeptanz erschwert einen nachhaltigen Schutz der Gelbbauchunke. „Wir möchten der Bevölkerung vermitteln: Artenschutz und Waldbewirtschaftung passen bei der Gelbbauchunke zusammen“, sagt Felix Schrell.

Ein wichtiger Aspekt des Schutzkonzepts ist daher die Öffentlichkeitsarbeit: Mit Exkursionen, Vorträgen, Flyern und Infotafeln informiert das Projekt über den Nutzen der Fahrspuren.

Forschungsprojekt zum Schutz der Gelbbauchunke

Das Projekt „Entwicklung nachhaltiger Schutzkonzepte für die Gelbbauchunke in Wirtschaftswäldern“ erforschte zwischen 2019 und 2021 Maßnahmen zum Schutz der Gelbbauchunke.

Dabei wurde das Wasserhaltevermögen verschiedener Kleingewässer sowie die tatsächliche Reproduktionszahl der Gelbbauchunke in den Gewässern untersucht.

Um die Maßnahmen in der Praxis zu bewerten, kooperierten die Forschenden mit der Forstlichen Versuchsanstalt (FVA) in Baden-Württemberg und arbeiteten eng mit den Leitern von sechs Forstrevieren zusammen. Finanziert wurde das Projekt in vollem Umfang von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit 310.000 Euro.




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