Externe Genitalien sind – wie Arme und Beine – ein Resultat der Anpassung an den terrestrischen Lebensraum.

(16.11.2014) Nun zeigt eine vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Untersuchung an Schlangen, Eidechsen und Mäusen, warum sich die embryonale Entwicklung von Geschlechtsteilen und Hinterbeinen gleicht.

Als die Wirbeltiere vom Meer aus das Land eroberten, passten sie nicht nur ihre Gliedmassen an den neuen Lebensraum an, sondern auch ihre Fortpflanzungsorgane. Während sich Fische und Amphibien im Wasser vermehren, tun dies Reptilien, Vögel und Säugetiere auf dem Land.


Schlangenembryo mit spiralförmigem Schwanzende

Um zu verhindern, dass ihre Eier austrocknen, lassen sie die Keimzellen im Körperinneren verschmelzen. Dazu mussten sie neue Eigenschaften entwickeln.

"Wie Äste aus einem Baumstamm"

"Externe Genitalien ermöglichen die interne Befruchtung", sagt Patrick Tschopp. Mit Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz, Frankreich und den Vereinigten Staaten hat der Schweizer Biologe in der Zeitschrift "Nature" nun den Ursprung des männlichen Begattungsorgans bei Schlangen, Eidechsen, Hühnern und Mäusen nachgezeichnet.

Ein Embryo gleicht erst – stark vereinfacht – einer Röhre. Im Laufe seiner Entwicklung spriessen die Anlagen für die äusseren Gliedmassen. "Wie Äste aus einem Baumstamm", sagt Tschopp.

Bei den Mäusen sind die Anlagen für die Hinterbeine von derjenigen für das Fortpflanzungsorgan von Beginn an getrennt. Doch bei den Schlangen und Eidechsen durchlaufen die Geschlechtsteile zuerst ein Entwicklungsprogramm, das demjenigen der Hinterbeine stark ähnelt.

Hemipenisse

Erst später werden die geschlechtsteilspezifischen Gene aktiviert, wie die Forschenden mit aufwendigen Analysen feststellten.

Die Hemipenisse, die seitlich und paarweise angelegten Fortpflanzungsorgane der Schlangen und Eidechsen, stammen deshalb wohl von den Hinterbeinen ab (auch wenn sich diese in den Schlangen vollständig zurückgebildet haben).

Tschopp betreibt Grundlagenforschung, eine direkte therapeutische Anwendung seiner Erkenntnisse ist nicht in Sicht. Doch die Resultate könnten zumindest teilweise erklären, wieso bei gewissen Erbkrankheiten Missbildungen an Armen und Beinen häufig mit Schäden an den externen Genitalien einhergingen, meint Tschopp.

Das liege an den ähnlichen Entwicklungsprozessen und der molekularen Verwandtschaft von Geschlechtsorgan und Hinterbeinen.

Publikation

Patrick Tschopp, Emma Sherratt, Thomas J. Sanger, Anna C. Groner, Ariel C. Aspiras, Jimmy K. Hu, Olivier Pourquié, Jérôme Gros, and Clifford J. Tabin (2014). A relative shift in cloacal location repositions external genitalia in amniote evolution.



Weitere Meldungen

Ein Feuersalamander kommt aus dem Wasser; Bildquelle: Peter Pogoda

Die Untersuchung heutiger Salamander Hinweise auf das Fressverhalten früher Landwirbeltiere

In einer Untersuchung anlysierte ein internationales Team um Dr. Daniel Schwarz und Prof. Dr. Rainer Schoch vom Naturkundemuseum Stuttgart das Fressverhalten von heute lebenden Salamandern und nutzte die Ergebnisse anschließend, um Rückschlüsse auf das Verhalten früher Tetrapoden zu ziehen
Weiterlesen

Dr. Egon Heiss von der Universität Jena mit einem Alpen-Kammmolch (Triturus carnifex), dessen Kauverhalten untersucht wurde.; Bildquelle: Jan-Peter Kasper/FSU

Salamander kauen mit dem Gaumen

Forschungsteam der Universitäten Jena und Massachusetts entdeckt urtümliches Kauverhalten bei Schwanzlurchen
Weiterlesen

An dem fossilen Waran wurde ein viertes Auge entdeckt.; Bildquelle: A. Lachmann / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung / Digimorph.org .

Mit dem Vierten sieht man besser: Vieräugiges fossiles Reptil entdeckt

Senckenberg-Wissenschaftler haben mit einem internationalen Team den Nachweis für eine vieräugige Echse erbracht
Weiterlesen

Universität Zürich

Warum Schlangen keine Beine haben

Zusammen mit Prof. Dr. Marcelo Sánchez von der Universität Zürich entdeckte Ingmar Werneburg vom Museum für Naturkunde Berlin, wie Schlangen ihre Beine verloren haben
Weiterlesen

Universität Zürich

Auch die Schildkröten-Ahnen atmeten schon mit Muskelkraft

Der Panzer der Schildkröten ist einmalig im Tierreich. Um in dieser unbeweglichen Schale atmen zu können, besitzen Schildkröten eine am Panzer befestigte Muskelschlinge
Weiterlesen

Computertomografie einer Amerikanischen Schnappschildkröte (Chelydra serpentina); Bildquelle: Emma R. Schachner

Wie die Atmung der Schildkröten im Lauf der Evolution entstanden ist

Schildkröten haben einen ganz eigentümlichen Mechanismus für die Atmung entwickelt, weil ihre Rippen in den Panzer umgewandelt wurden: Mit speziellen Muskeln sorgen sie für den Ein- und Ausstrom der Luft
Weiterlesen

Eunotosaurus africanus trug bereits die Anlagen eines Panzers in sich.

Die Entwicklung des Schildkröten-Panzers

Schildkröten besitzen einen im Tierreich einmaligen Panzer. Dieser begann sich vor mehr als 260 Millionen Jahren zu entwickeln, wie amerikanische Forscher zusammen mit einem Paläontologen der Universität Zürich anhand eines Fossils nachweisen
Weiterlesen

Falschfarbenaufnahme des zweiten Beines der ausgestorbenen Schlangenart Eupodophis descouensi in einem 95 Millionen Jahre alten Fossil ; Bildquelle: ESRF

Röntgenaufnahmen zeigen Beinreste einer heute ausgestorbenen Schlange

Mit neuer Röntgentechnologie hat eine Forschergruppe Hinweise erhalten, wie Schlangen im Laufe der Evolution ihre Gliedmassen verloren
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen