400 Millionen Jahre alter Trilobit besaß ähnliche Facettenaugen wie heutige Bienen

(17.08.2020) Prinzip des Sehens vieler heutiger Insekten und Krebstiere ist laut einer neuen Studie mindestens mehrere hundert Millionen Jahre alt

Trilobiten sind ausgestorbene Gliedertiere, verwandt mit heutigen Spinnentieren, Insekten und Krebsen.

Universität zu Köln Sie waren die häufigsten Tiere in den Meeren des Erdaltertums. Die Privatdozentin Dr. Brigitte Schoenemann, Vertretungsprofessorin für Zoologie am Institut für Biologiedidaktik der Universität zu Köln, und ihr Kollege Euan Clarkson von der University of Edinburgh haben mit Hilfe digitaler Lichtmikroskopie die Facettenaugen des fossilen Trilobiten Aulacopleura koninckii untersucht.

Sie kommen insgesamt zu dem Schluss, dass die Struktur und Funktion der Facettenaugen vieler tagaktiver Insekten und Krebstiere seit dem Erdaltertum (Palaeozoikum, vor 542 – 251 Millionen Jahren) unverändert geblieben ist.

Der Trilobit, der in der Tschechischen Republik gefunden und 1826 erstmals von dem Ingenieur Joachim Barrande beschrieben wurde, ist ein kleines, etwa 1cm langes und ungefähr 2 mm hohes Tier mit einem sehr dünnen Gliederpanzer. Auf dem Kopf sitzen halb-ovale Augen, die im Fossil meistens abgebrochen sind.

„Das von uns untersuchte Tier lag in ausgezeichneter Erhaltung vor. Ein Auge war komplett erhalten, das andere war zur Hälfte aufgebrochen, was uns Einblicke in das Innere erlaubte“, sagt Dr. Schoenemann, und weiter: „Normalerweise sind zelluläre Strukturen in Fossilien nicht erhalten. Hier jedoch zeigten sich die Relikte von Sinneszellen, die den Strukturen von Facettenaugen vieler tagaktiver Insekten und Krebstiere von heute entsprechen.“

Ein Facettenauge, sowohl bei Bienen als auch bei dem hier untersuchten Trilobiten, setzt sich aus vielen identischen Untereinheiten zusammen, den sogenannten Ommatidien, die von außen als Facetten zu erkennen sind. Bei Aulacopleura sind es etwa zweihundert pro Auge.

Jedes Ommatidium besteht aus etwa acht Sinneszellen, die sich um ein zentrales Stäbchen, das Rhabdom gruppieren, welches als ein Lichtleiter arbeitet. Es ist Teil der Sinneszellen und übersetzt das Lichtsignal in elektrische Impulse, die vom Nervensystem des Tieres verarbeitet werden können.

„Jedes Ommatidium verfügt zudem über eine Linse, die das Licht auf das Rhabdom bündelt. Da die modernen Ommatidien durch Pigmente, die wie Vorhänge wirken, voneinander getrennt sind, entsteht im Facettenauge, anders als bei unserem menschlichen Auge, ein mosaikartiges Sehen“, erläutert Schoenemann.

Im Gegensatz zu den heutigen Insekten und Krebstieren besteht bei den alten Trilobiten diese Abtrennung meist aus optisch dichtem Panzermaterial.

„Da hier bei Aulacopleura aber die Evolution offensichtlich ‚keine Kosten und Mühen gescheut hat‘, ebenfalls solche Vorhangs-Pigmente zu bilden, muss man wohl davon ausgehen, dass der dünne Panzer von Aulacopleura koninckii durchsichtig war. Dies kennen wir von vielen heutigen Garnelen und anderen kleinen marinen Krebsen. Ein Prinzip, das wohl auch dem zierlichen Trilobiten zu guter Tarnung auf dem Meeresboden verholfen hat“, schlussfolgert Schoenemann.

Die geringe Größe der Facetten des Trilobiten zeigt an, dass Aulacopleura koninckii wohl tagaktiv war und in seichten, lichtdurchfluteten Bereichen des Meeres gelebt hat. Kleine Linsen können nämlich weniger Licht einfangen als große und daher nur bei hellem Licht gut arbeiten.

Publikation

„Insights into a 429-million-year-old compound eye“


Weitere Meldungen

Julia Türtscher; Bildquelle: Patrick L. Jambura

Neue Rochenart aus Bayern entdeckt: Aellopobatis bavarica aus dem späten Jura

In einer neuen Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Papers in Palaeontology" veröffentlicht wurde, haben internationale Wissenschafter*innen die rätselhafte Welt der vor 150 Millionen Jahren lebenden Rochen erforsch
Weiterlesen

Prof. Dr. Rainer Schoch (links), Dr. Stephan Spiekman, Dr. Eudald Mujal (rechts) in der Meeressaurier Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Fossil von Trachelosaurus fischeri; Bildquelle: SMNS, Liliana Reinöhl

Forscher stellen den weltweit ältesten langhalsigen Meeressaurier vor

Ein historisches Fossil liefert neue Erkenntnisse über die frühe Evolution der Meeresreptilien nach dem größten Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren
Weiterlesen

Riesenschildkröte Peltocephalus maturin; Bildquelle: Júlia d‘Oliveira

Neu entdeckte fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt

Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben
Weiterlesen

Dinocephalosaurus Fossil (Institute of Vertebrate Paleontology and Paleoanthropology, Chinese Academy of Sciences, Beijing).; Bildquelle: Nicholas C. Fraser

Neue Fossilien des Meeressauriers Dinocephalosaurus orientalis erforscht

Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen aus China, USA und Europa, darunter Dr. Stephan Spiekman, Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart, hat neue Fossilien des Meeressauriers Dinocephalosaurus orientalis erforscht
Weiterlesen

Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)

Erster Beweis für Elefantenjagd durch den frühen Menschen

Untersuchung von Funden in Neumark-Nord bei Halle erbringen den ersten eindeutigen Beweis für die Jagd von Elefanten in der menschlichen Evolution
Weiterlesen

Mikro-CT-Scans eines Halswirbels; Bildquelle: Senckenberg

Fossile Vogel-Halswirbel mit knotenförmigen Verdickungen

Dr. Gerald Mayr hat gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam ungewöhnliche Skelett-Strukturen verschiedener europäischer Vogel-Fossilien aus dem Eozän untersucht
Weiterlesen

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Menschen vor 400.000 Jahren jagten systematisch Biber

Menschen, die vor rund 400.000 Jahren lebten, machten offenbar systematisch Jagd auf Biber, um sich von ihnen zu ernähren und möglicherweise auch, um ihre Pelze zu erbeuten
Weiterlesen

Schottische Wildkatze; Bildquelle: Marc Evans, CC BY-SA 2.0

Paläogenomik: Wildkatzen und Hauskatzen meiden sich weitgehend

Ein internationales Team um LMU-Paläontologe Laurent Frantz und Greger Larson (Universität Oxford) hat mittels genetischer Analysen die Geschichte der Katzen in Europa untersucht
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen