Ähnlich dem Menschen: Hunde erkunden gezielt, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden

(19.07.2023) Wie menschliche Kinder haben Hunde Erwartungen an ihre Umgebung, beispielsweise darüber, ob und wann ein Objekt, das sich hinter eine Abdeckung bewegt, sichtbar sein sollte.

Experiment mit Hund; Bildquelle: Vetmeduni/Thomas Suchanek
Experiment mit Hund

Werden diese Erwartungen verletzt, werden sie neugierig und erkunden ihre Umgebung genauer. Diese Parallelen zwischen Mensch und Tier konnte ein Forschungsteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien in einer soeben veröffentlichten Studie nachweisen.

Frühere Studien haben gezeigt, dass menschlichen Säuglinge mit Neugier darauf reagieren, wenn grundlegende physikalischer Regelmäßigkeiten verletzt werden. Es regt sie dazu an, die beteiligten Objekte genauer zu untersuchen, wodurch sie Erkenntnisse über neue kausale Zusammenhänge gewinnen können.

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschafter:innen, ob ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Erwartungsverletzung und Erkundung bei nichtmenschlichen Tieren besteht. Konkret wurde untersucht, wie Hunde auf Erwartungsverletzungen im Zusammenhang mit verdeckten Objekten – sogenannte Okklusionsereignisse – reagieren.

In den ersten beiden Experimenten sahen die Hunde jeweils Videos eines sich über den Bildschirm bewegenden Balls. Der Ball bewegte sich im Verlauf der Videos hinter Abdeckungen unterschiedlicher Breite. 

Im ersten Experiment rollte der Ball hinter einer schmalen Abdeckung vorbei und erschien entweder auf der anderen Seite, wie es unter realen Bedingungen zu erwarten wäre, oder er verschwand hinter der Abdeckung. Im zweiten Experiment rollte ein Ball hinter zwei Abdeckungen vorbei, zwischen denen eine Lücke bestand.

In einer Bedingung tauchte der Ball in der Lücke wieder auf, wie es unter realen Bedingungen zu erwarten wäre, wohingegen er in der anderen Bedingung in der Lücke nicht wieder auftauchte. Im dritten Experiment wurde das zweite Experiment wiederholt, nun jedoch nicht als Video, sondern mit einem echten Ball.

Verletzte Erwartungen machen neugierig und bieten die Möglichkeit zu lernen

„In allen drei Experimenten zeigten Hunde bei erwartungswidrigen Ereignissen eine längere Blickdauer als bei konsistenten Ereignissen. Dieses Ergebnis wurde bei den ersten beiden Experimenten durch Pupillengrößenanalysen weiter gestützt. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde erwarten, dass Objekte wieder auftauchen, wenn sie nicht durch eine blickdichte Blende verdeckt werden, und dass sie die Größe der Blende im Verhältnis zum verdeckten Objekt berücksichtigen“, so Studien-Erstautor Christoph Völter vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni.

Im dritten Experiment steigerten Erwartungsverletzungen die Motivation der Hunde, das Zielobjekt genauer zu untersuchen und der Ursache auf den Grund zu gehen – ganz ähnlich wie bei menschlichen Säuglingen. „Die Überraschungsreaktion der Hunde führte zu einer verstärkten Erkundung des beteiligten Objekts, was ihnen die Möglichkeit eröffnete, mehr über die ungewöhnlichen Eigenschaften des Objekts herauszufinden. Insgesamt kommen wir zum Schluss, dass Erwartungsverletzungen auch für nichtmenschliche Tiere Lernmöglichkeiten bieten können“, sagt Völter.

Vielversprechende Methode auch für Studien mit anderen Tierarten

Mit ihrer Versuchsreihe gelang den Wissenschafter:innen der Nachweis, dass Hunde konkrete Erwartungen haben, etwa wann ein Objekt sichtbar sein sollte und wann nicht. Hunde scheinen zudem die Größe des verdeckten Objekts im Verhältnis zur Abdeckung zu berücksichtigen. Die in ihrer Studie verwendete Methode ist laut den Forscher:innen vielversprechend, um ähnliche Hypothesen auch bei einer Vielzahl anderer Arten zu testen.

Publikation

Der Artikel „Dogs’ expectations about occlusion events: from expectancy violation to exploration“ von Christoph J. Völter, Ana Tomašić, Laura Nipperdey und Ludwig Huber wurde in „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.




Weitere Meldungen

Wie Hunde und Wölfe uns Menschen einschätzen; Bildquelle: Vetmeduni Vienna

Keine einfachen Urteile: Wie Hunde und Wölfe uns Menschen einschätzen

Wer mag mich und wer nicht? Um diese Frage zu beantworten, nützen Menschen häufig „Eavesdropping“, also das Belauschen oder Beobachten anderer zum eigenen Vorteil
Weiterlesen

Wolf; Bildquelle: RoooBert Bayer/WSC/Vetmeduni

Hunde sind Wölfen ähnlicher als gedacht

Hunde zeigen generell keine erhöhten sozio-kognitiven Fähigkeiten und sind nicht weniger aggressiv als Wölfe
Weiterlesen

Testphase 1/Vortest (Straßenhunde in Marokko); Bildquelle: Giulia Cimarelli

Anders als Wölfe: Hunde sind in den Menschen vernarrt

Hunde sind der „beste Freund des Menschen“. Eine aktuelle Studie des Domestikation Labs der Vetmeduni Vienna erbrachte nun den Nachweis, dass die Domestizierung dafür verantwortlich ist
Weiterlesen

v.l.n.r: Horst Gangl, Kurt Kotrschal, Karl Wilfing, Petra Winter, Heinrich XIV. Reuss, Friederike Range, Elmar Pichl und Zsófia Virányi; Bildquelle: Ernst Hammerschmid

Das Wolf Science Center (WSC) in Ernstbrunn feierte sein 10-jähriges Bestehen

Mit einem Festakt am 25. April 2019 beging das Wolf Science Center (WSC) sein 10-jähriges Jubiläum am Standort Ernstbrunn in Niederösterreich
Weiterlesen

Wolf Science Center

Tiertrainer-Trainee m/w gesucht!

Das Wolf Science Center ist auf der Suche nach einem/einer TiertrainerIn mit Dienstort Ernstbrunn
Weiterlesen

Friederike Range; Bildquelle: WSC/R. Bayer

Warum eigentlich Wolfsforschung?

In den vergangenen Wochen kamen wieder fünf Wolfs-Welpen in das „Wolf Science Center“. Manchmal fragen Leute, warum diese Forschung sinnvoll ist. Das Leitungsteam, Kurt Kotrschal, Zsófia Virányi und Friederike Range, gibt Antwort
Weiterlesen

Dr. Friederike Range; Bildquelle: WSC

Hoher internationaler Wissenschaftspreis für Friederike Range

Nachwuchspreis der "American Psychological Association (APA)" an Dr. Friederike Range, Leiterin des Wolf Science Centers in Ernstbrunn und Wissenschaftler an der Vetmeduni Vienna
Weiterlesen

Dr. Range ; Bildquelle: WSC

Wolf Science Center: Forschung fördern

Drei Monate alt sind nun die sechs neuen Wölfchen im weltweit modernsten  Wolfsforschungszentrum, dem „Wolf Science Center“  im Wildpark Ernstbrunn/NÖ
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen