Pfote geben? Erwartungshaltungen bestimmen das Handeln von Hunden

(10.08.2023) Ungleichheit resultiert in negativen Reaktionen. Dieser Gerechtigkeitssinn beschränkt sich nicht auf den Menschen und wurde im Experiment auch bei vielen nichtmenschlichen Tierarten nachgewiesen.

Veterinärmedizinische Universität Wien

Haushunde eignen sich besonders, um diese Ungleichheitsaversion zu untersuchen. Eine soeben veröffentlichte Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien fügt dem bisherigen Wissen einen neuen Aspekt hinzu: Das Forschungsteam fand heraus, dass der beobachteten Reaktion von Hunden die wahrgenommene Erreichbarkeit einer Belohnung – also eine Erwartungshaltung – zugrunde liegen könnte.

Haushunde zeigen eine grundlegende Form der Aversion gegen Ungleichheit – sie weigern sich, weiterhin an einer Aufgabe mit einem Experimentator teilzunehmen, wenn sie in Gegenwart eines anderen, belohnten Hundes nicht belohnt werden. Dies demonstrierte ein Team um Friederike Range, stv. Leiterin des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni, erstmals anhand der sogenannten „Pfotenaufgabe“. Diese im Jahr 2009 veröffentlichte Studie erregte internationales Aufsehen.

Im zugrundeliegenden Experiment sollten Hunde immer wieder die Pfote geben und erhielten jeweils identische oder unterschiedliche Belohnungen. Bekamen sie im Gegensatz zum anderen Hund keine Leckerlis, verweigerten sie das Pfotegeben. Waren jedoch keinen belohnten Artgenossen zugegen, so gaben die Hunde einem Experimentator häufiger ohne Belohnung ihre Pfote – ein Beleg für die Abneigung gegen Ungleichheit, der sich in mehreren weiteren Studien bestätigte.

Sinn für Gerechtigkeit …

In der aktuellen Studie prüften die Forscher:innen nun eine neue Hypothese: Anstatt Ungleichheit abzulehnen, könnten Hunde ihre Pfote aus einem anderen Grund häufiger geben, wenn ein Partner abwesend ist. Und zwar aufgrund der Vorgehensweise des Experimentators, bei der dieser Leckerlis vor dem Versuchstier bewegt, um das Füttern eines Artgenossen nachzuahmen. Diese Aktion könnte die Wahrnehmung der Versuchstiere hinsichtlich der Erreichbarkeit einer Belohnung erhöhen.

… oder Erwartungshaltungen als Auslöser?

„Wir haben diese Hypothese getestet, indem wir bei der ‚Pfotenaufgabe‘ eine verbesserte Kontrollbedingung eingeführt haben: Hunde wurden nicht belohnt, wenn sie in Gegenwart einer Box mit einer Belohnung* ihre Pfote gaben“, erklärt Jim McGetrick, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des KLIVV der Vetmeduni. Resultat: Die Dauer des Pfotegebens unterschied sich nicht – egal ob der Partner ein anderer Hund oder eine Box war. Darüber hinaus gaben Hunde die Pfote öfter, wenn kein weiterer Hund anwesend war und der Experimentator das Füttern eines Hundes nachahmte, als wenn Leckerlis in die Box gelegt wurden. Dazu McGetrick weiter: „Zusammenfassend legen unsere Ergebnisse nahe, dass die längere Dauer des Pfotengebens in der Kontrollbedingung ohne Belohnung in Ungleichheitsstudien mit Hunden durch die erwartete Erreichbarkeit von Belohnungen bestimmt wird. Dies kann die Illusion erzeugen, dass Hunde in der Versuchsbedingung der Ungleichheit aufgrund echter Ungleichheitsaversion mit dem Pfotegeben aufhören.“

*Die Belohnung wurde jedes Mal durch den Versuchsleiter in der Box platziert. Die Hunde sahen dabei vorab zu.

Pubklikation

Der Artikel „Perceived reward attainability may underlie dogs’ responses in inequity paradigms“ von Jim McGetrick, Hugo Peters, Anna D. J. Korath, Romana Feitsch, Susanne Siegmann und Friederike Range wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Perceived reward attainability may underlie dogs’ responses in inequity paradigms (nature.com)


Weitere Meldungen

Experiment mit Hund; Bildquelle: Vetmeduni/Thomas Suchanek

Ähnlich dem Menschen: Hunde erkunden gezielt, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden

Wie menschliche Kinder haben Hunde Erwartungen an ihre Umgebung, beispielsweise darüber, ob und wann ein Objekt, das sich hinter eine Abdeckung bewegt, sichtbar sein sollte
Weiterlesen

Vetmeduni Vienna

Buntbarsche: Sesshaftigkeit zahlt sich aus

Neolamprologus pulcher (N. pulcher) ist eine Buntbarschart, die in Ostafrika an Felsküsten vorkommt
Weiterlesen

Goffin-Kakadu; Bildquelle: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Flexibler Transport von Werkzeugsets bei Goffin-Kakadus

Im Goffin Lab Goldegg der Vetmeduni wurde gezeigt, dass Goffin-Kakadus vor dem Gebrauch mehrerer Werkzeuge an einer Futterstelle, die einzelnen Werkzeugteile als „Set“ kategorisieren
Weiterlesen

Weiblicher Kampf um Nistplätze reduziert den Fortpflanzungserfolg; Bildquelle: Mike Thom

Weiblicher Kampf um Nistplätze reduziert den Fortpflanzungserfolg

Der Wettbewerb zwischen Weibchen ist normalerweise weniger offenkundig aggressiv als der zwischen Männchen, kann aber dennoch negative Folgen haben
Weiterlesen

Clever Dog Lab; Bildquelle: Clever Dog Lab

Clever Dog Lab: Hunde erkennen den Unterschied zwischen gemein oder tollpatschig

Seit Langem beschäftigt Verhaltensforscher:innen die Frage, ob Hunde menschliche Gedanken lesen können
Weiterlesen

Messung der Kopfgröße bei Wachteln; Bildquelle: Stefan Fischer

Gehirngröße bei Vögeln messen: Welche Parameter eignen sich am besten?

Bedeuten größere Köpfe auch größere Gehirne? Die Untersuchung der Gehirngröße (als Indikator für kognitive Fähigkeiten) gestaltet sich bei Wildtieren generell als schwierig
Weiterlesen

Vetmeduni Vienna

Feine Nase: Singvögel riechen, wohin sie fliegen

Augen, Nase oder beides? Wie Vögel den Weg zurück zu einer Futterstelle finden, untersuchte ein Forschungsteam des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Vienna
Weiterlesen

Wie Hunde und Wölfe uns Menschen einschätzen; Bildquelle: Vetmeduni Vienna

Keine einfachen Urteile: Wie Hunde und Wölfe uns Menschen einschätzen

Wer mag mich und wer nicht? Um diese Frage zu beantworten, nützen Menschen häufig „Eavesdropping“, also das Belauschen oder Beobachten anderer zum eigenen Vorteil
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen