VET-MAGAZIN logo
Wie sakkadische Augenbewegungen Säugetieren die Jagd in komplexer Umgebung ermöglichen
Charles G. Summers, Jr.
Auszeichnung für Forschung zur urgeschichtlichen Entstehung der Tierwanderungen in Ostafrika
Kaedan O´Brien
Globale Studie untermauert dringenden Handlungsbedarf, um genetische Verarmung zu stoppen
Minitta-Kandlbauer
Haie und Rochen profitieren von Klima-Erwärmung – nicht aber von CO2 in den Meeren
Manuel A. Staggl
Fledermäuse: Corona ohne Symptome
Burton Lim, Royal Ontario Museum
Fledermäuse: Corona ohne Symptome
Vom Menschen verursacht: Amerikanische Drosophila-Arten als Überträger identifiziert
Thomas Zimmel/VET-MAGAZIN
Aufnahmen von Wildtierkameras in Vietnam zeigen, wie wichtig Artenschutz in ökologischen Übergangszonen ist
Leibniz-IZW
Wann ziehen junge Fische aus?
MPI für biologische Intelligenz / Axel Griesch
Wann ziehen junge Fische aus?
Goffin-Kakadu
Thomas Suchanek/Vetmeduni
Allgemein

Im Goffin Lab Goldegg der Vetmeduni wurde gezeigt, dass Goffin-Kakadus vor dem Gebrauch mehrerer Werkzeuge an einer Futterstelle, die einzelnen Werkzeugteile als „Set“ kategorisieren.

. . .

Durch diese „mentale Repräsentation“ transportieren sie die einzelnen Teile aktiv zur Futterstelle, um die dort auf sie wartende Herausforderung zu bewältigen.

Einige Probleme lassen sich nicht mit einem einzigen Werkzeug lösen. Manchmal werden mehrere verschiedene Werkzeuge mit unterschiedlichen Funktionen nacheinander benötigt, um ein Ziel zu erreichen.

Solche Werkzeugsets sind ein wichtiger Teil der menschlichen Kulturtechnik und stellen eines der fortschrittlichsten Beispiele für den Technikeinsatz bei Tieren dar. Bisher wurde nur von zwei Arten berichtet, die in freier Wildbahn Werkzeugsets anwenden: Schimpansen und Goffin-Kakadus.

Während man früher davon ausging, dass nur unsere engsten lebenden Verwandten diese Fertigkeit besitzen, wurde vor kurzem bekannt, dass auch der Goffin-Kakadu, eine extrem weit von uns entfernte Tierart, zumindest in freier Wildbahn in der Lage ist, ein Werkzeugset zu benutzen.

Aber die Fähigkeit, ein Werkzeugset zu verwenden, und die Fähigkeit, beide Werkzeuge als ein Set zu kategorisieren, sind möglicherweise zwei sehr unterschiedliche Dinge.

So wurde beispielsweise berichtet, dass wild lebende Schimpansen robuste Stöcke oder andere Schlagwerkzeuge nehmen, um einen Termitenhügel aufzubrechen, und danach dünne, biegsame Stöcke als eine Art Angel benutzen, um nach den Termiten zu fischen. Lange Zeit wurde argumentiert, dass das Aufgreifen des ersten Werkzeugs einfach dadurch ausgelöst wird, dass der Hügel versperrt ist, und dass die Verwendung des zweiten Werkzeugs erst durch den Anblick des nun geöffneten Hügels getriggert wird.

Was also wie ein Werkzeugset aussah, war möglicherweise nichts weiter, als eine Kette einzelner Werkzeugeinsätze auf einer repräsentativen Ebene. Diese Ansicht änderte sich erst, nachdem Schimpansen im abgelegenen Goualougo-Dreieck (Republik Kongo) beobachtet wurden, wie sie beide Werkzeuge gleichzeitig zu den Termitenfangplätzen transportierten. Diese Schimpansen erkannten also die Notwendigkeit beider Werkzeuge, bevor sie eines davon benutzten, was auf die mentale Einordnung beider Instrumente als Set hindeutet.

Inspiriert von den Schimpansen des Goualougo-Dreiecks konzipierte Antonio José Osuna Mascaró vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien drei Experimente, um zu testen, ob Goffin-Kakadus in der Lage sind, ein echtes Werkzeugset gedanklich abzubilden.

Dr. Osuna Mascaró beschreibt den Verlauf der Studie:

„Zunächst wollten wir testen, ob diese kleinen Kakadus in der Lage sind, die Verwendung eines Werkzeugsets selbst zu entwickeln“, sagt Osuna Mascaró. „Wir haben ihnen also ein Problem gestellt, welches dem der Schimpansen beim Termitenfang ähnelt.

Dabei versperrten wir den Vögeln mit einer Folie den Zugang zu einer in einem Kasten liegenden Nuss und stellten ihnen zwei Werkzeuge zur Verfügung: einen kurzen, spitzen Stock und einen langen, flexiblen Stock. Die Folie konnte nur mit dem spitzen Werkzeug aufgerissen werden, das dann aber zu kurz war, um die Belohnung zu erreichen, also mussten beide nacheinander benutzt werden.“

Und er fügt hinzu: „Das Lustige dabei ist, dass die bevorzugte Nahrung dieser Goffins die Cashewnuss ist, deren Geschmack dem Geschmack der Termiten, die Schimpansen essen, sehr ähnelt. Die Ähnlichkeiten gehen also über das hinaus, was wir visuell wahrnehmen können!“

Zur Überraschung des Forschers lösten die Kakadus dieses erste Experiment mit verblüffender Leichtigkeit. „Wir sind es gewohnt, dass Figaro die Aufgaben meisterhaft löst, aber eine solche Geschwindigkeit hatte ich nicht erwartet", sagt Osuna Mascaró.

Figaro, das höchstrangige Männchen der Gruppe, löste die Aufgabe bei seinem ersten Anlauf in nur 31 Sekunden (für diesen Versuch waren eigentlich 10 Minuten vorgesehen). Fini, ein Weibchen, löste die Aufgabe ebenfalls in nur 34 Sekunden. Weitere Kakadus benötigten zwar zwei oder drei Versuche, um die Lösung zu finden, aber auch ihre Leistung kann als bemerkenswert bezeichnet werden.

Die Goffins waren also in der Lage, ein Werkzeugset innovativ einzusetzen, aber war dies nur das Ergebnis einer erlernten Abfolge von Handlungen oder hatten sie eine mentale Repräsentation, ein inneres Abbild, der beiden Werkzeuge als Set gemacht? Um diese Frage zu klären, führten die Forscher:innen ein zweites Experiment durch: „Um zu testen, ob die Kakadus ihr Werkzeugset flexibel einsetzen, stellten wir sie nach dem Zufallsprinzip abwechselnd vor zwei verschiedenen Kasten: eine mit einer Folie bedeckt, wie zuvor, und eine andere ohne Folie, die die Vögel daran hinderte, die Nuss zu erreichen. Die Kakadus mussten also je nach Problem handeln: manchmal wurde das ganze Werkzeugset benötigt, und manchmal reichte ein einziges Werkzeug“, sagt Osuna Mascaró.

Das erinnert an die Situation der Schimpansen beim Termitenfang im Goualougo-Dreieck: Manchmal ist das gesamte Werkzeugset notwendig; bei Termitenhügeln, die bereits Löcher aufweisen, reicht der Angelstock aus.

Wie zu erwarten war, schnitten die in Österreich aufgezogenen Kakadus auch bei dieser Aufgabe hervorragend ab. Doch die Forscher:innen fanden auch Unerwartetes. Prof. Alice Auersperg, Leiterin des Goffin Labs, erklärt: „Vor dem Einsetzen des ersten Werkzeugs wechselten die Tiere öfters zwischen beiden Werkzeugoptionen hin und her“, berichtet Auersperg. „Interessanterweise verbesserte sich ihre Leistung nach diesem Hin- und Herwechseln; die Wahrscheinlichkeit, das richtige Werkzeug zu wählen, war nach wiederholtem Wechseln höher. In zukünftigen Experimenten wollen wir den Entscheidungsprozess der Vögel und vielleicht auch bestimmte Aspekte ihrer Metakognition – ihr Wissen über ihr eigenes Wissen – erforschen.“

Nachdem die Forscher:innen des Goffin Labs beobachtet hatten, wie Kakadus durch den flexiblen Gebrauch eines Werkzeugsets eine innovative Lösung für ein Problem finden, wollten sie testen, ob die Kakadus die beiden Werkzeuge gleichzeitig als Set transportieren würden. Ein flexibler Transport (ein Transport beider Werkzeuge bei Bedarf), wie er von den Schimpansen des Goualougo-Dreiecks durchgeführt wird, würde bedeuten, dass die Kakadus die Bedeutung beider Werkzeuge verstehen, bevor sie sie benutzen, und daher auch beide Werkzeuge zusammen als ein Set kategorisieren können. In diesem Experiment mussten die Kakadus zunächst eine Leiter erklimmen, um eine Plattform zu erreichen, auf der eine der beiden Kasten (mit bzw. ohne Folie) auf sie wartete. Danach konnte dieselbe Plattform nur durch einen kurzen horizontalen und einen darauffolgenden vertikalen (anstrengenden) Flug erreicht werden.

„Vier Kakadus transportierten schließlich beide Werkzeuge zusammen zur Plattform, auch wenn dafür ein fliegender Transport erforderlich war.

Das war sehr bemerkenswert“, sagt Osuna Mascaró. „Drei dieser Kakadus transportierten die Werkzeuge auf sehr konsequente Weise zusammen. Sobald sie gelernt hatten, die Werkzeuge (allein) zu transportieren, transportierten sie sie jedes Mal gleichzeitig, wenn sie auf den Kasten stießen, der beide Werkzeuge benötigte, und seltener bei dem Kasten, bei dem das nicht der Fall war.“ Abgesehen vom Menschen sind nur zwei weitere Arten bekannt, die in freier Wildbahn Werkzeugsets verwenden.

Die vorliegende Studie zeigt, dass es sich beim Gebrauch von Werkzeugsets sowohl bei Schimpansen als auch bei Goffin-Kakadus, um ein komplexeres Verhalten handelt, als nur die reine Nutzung zweier Werkzeuge hintereinander. „Unsere Kakadus hatten immer die Möglichkeit hin und her zu fliegen, ein Werkzeug zu benutzen und dann zurückzukehren, um das andere Werkzeug aufzuheben, zur Futterstelle zu transportieren und dort zu benutzen. Stattdessen lernten mindestens drei von ihnen, beide Werkzeuge im Voraus mitzunehmen. Das deutet darauf hin, dass sie beide Werkzeuge als ein Set kategorisieren können“, erklärt Osuna Mascaró.

Alice Auersperg fügt hinzu: „Um die Entstehung unserer eigenen werkzeugtechnischen Fähigkeiten zu verstehen, ist es notwendig, nicht nur auf unsere engsten lebenden Verwandten zu schauen, sondern auch zu untersuchen, wie ähnliche Fähigkeiten bei Arten entstehen, die extrem weit von uns entfernt sind, in diesem Fall durch mehr als 300 Millionen Jahre Evolution.“

The study is part of a collaborative project funded by the WWTF (Wiener Wissenschafts und Technologie Fund) and by the FWF (Austrian Science Fund).

The researchers study the innovative skills of the cockatoos at the University of Veterinary Medicine Vienna and compare them with those of children of different ages (University of Birmingham).

Publikation

Antonio J. Osuna-Mascaró, Mark O'Hara, Remco Folkertsma, Sabine Tebbich, Sarah R. Beck, Alice M.I. Auersperg: “Flexible tool set transport in Goffin’s cockatoos .”, Current Biology, 2023.

. . .

Weitere Meldungen

Neuigkeiten aus der Wissenschaft

Lisi Baszler feiert drei Jahre 1st Day Skills Academy
1st Day Skills Academy

Drei Jahre 1st Day Skills Academy

Wie eine Idee die Aus- und Weiterbildung in der Kleintiermedizin revolutioniert hat

KATZENMEDIZIN 22
just4vets

JUST4VETS: 248 Gramm Katzenmedizin

Die frisch gedruckte 22. Ausgabe des Tierarztmagazins KATZENMEDIZIN liefert satte 248 g praxisnahe Fachartikel und Praxisfälle, Tierklinik-Reportage, Interviews, aktuelle Praxis- und Einkaufstipps und jede Menge spannende Fortbildungstermine

BTV-Verdachtsfall in Slowenien
VET-MAGAZIN/Thomas Zimmel

BTV-Verdachtsfall in Slowenien

Die Generaldirektorin der Behörde für Lebensmittelsicherheit, Veterinärwesen und Pflanzenschutz (UVHVVR), Vida Znoj, stellte am 6. Februar 2025 die neuesten Informationen zur Blauzungenkrankheit (BTV) in Slowenien vor

Taubwaran im Tiergarten Schönbrunn
Daniel Zupanc

Erstmals stark gefährdete Taubwarane im Tiergarten Schönbrunn zu sehen

Passend zum "Reverse the Red Day" können die Besucherinnen und Besucher des Tiergarten Schönbrunn eine besondere Premiere erleben

Seeadler-Beringung in Allentsteig
Björn Beckmann

Seeadler: Österreichs Wappentier geht gestärkt in die neue Brutsaison

Gute Nachrichten zum Start der Seeadler-Brutsaison: Neuesten Schätzungen zufolge leben bereits rund 90 Seeadler-Paare mit eigenem Revier in Österreich.

Gewinnspiel für 3 x 2 Abendtickets
RFCanva/Cavalluna.com

Gewinnspiel: „CAVALLUNA – Grand Moments“: Eine Reise durch schillernde Showwelten

Von Oktober 2024 bis Juni 2025 tourt "CAVALLUNA - Grand Moments " durch 33 Städte in Europa. Wir freuen uns, unter all unseren Newsletter-Abonnenten 3 x 2 Tickets für eine Abendshow in einer Stadt eurer Wahl zu verlosen!

Alpenzoo-Mitarbeiter der Zooschule sind nun Mitglieder der IZE
Alpenzoo

Alpenzoo Innsbruck: Team der Zooschule nun Mitglied der International Zoo Educators Association (IZE)

Die IZE ist ein weltweites Netzwerk von Fachleuten aus Zoos und Aquarien, das sich für innovative Bildungsprogramme und Umweltbewusstsein einsetzt

Stunde der Wintervögel
Birgit S./Birdlife Österreich

Stunde der Wintervögel 2025

BirdLife Österreich ruft vom 4. bis 6. Jänner 2025 zur 16. Stunde der Wintervögel, der größten Mitmachaktion des Landes, auf

Futterspende erreicht Zoo Kiew rechtzeitig vor Weihnachten
Alpenzoo

Futterspende erreicht Zoo Kiew rechtzeitig vor Weihnachten

Pünktlich vor Weihnachten ist eine dringend benötigte Futterspende im Zoo Kiew angekommen

Teile diesen Bericht auf:

Werbung via Google
Werbung via Google

Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser
(07. Feb 2025) Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz? - herausgegeben…
Fruchtbare Kühe - Gesunde Kälber
(31. Jan 2025) Management und Fütterung als Basis der leistungsbereiten Milchviehherde…
Die Bremer Stadtmusikanten: Neues aus der…
(21. Jan 2025) Das Märchen "Die Bremer Stadtmusikanten" ist sicher eins…
Zytologie der Haut und Unterhaut
(16. Jan 2025) Das Standardwerk von Francesco Cian und Paola Monti…
How and When to Involve Crowds…
(08. Jan 2025) Neues Open-Access-Buch bietet Anleitung für Crowdsourcing in der…
Grundlagen moderner Antibiotikatherapie in der Kleintierpraxis
(03. Jan 2025) Das gut strukturierte Nachschlagewerk Grundlagen moderner Antibiotikatherapie in…

Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

Webinar zum World Veterinary Dermatology Day 2025
August Stauda
Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…
Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…
7. Kroatischer Veterinärkongress 2024
(22. Jul 2024) Der diesjährige Kroatische Veterinärkongress wird vom 24. bis…
EERVC 2024 in Belgrad
(21. Jul 2024) Die Eastern European Regional Veterinary Conference (EERVC) findet…
29. FECAVA EuroCongress in Athen
(11. Jul 2024) Die FECAVA lädt vom 12. bis 14. September…
2.700 Veterinärmediziner auf dem Weltkongress rund…
(11. Jun 2024) Veterinärmediziner aus 65 Ländern versammelten sich vom 4…

Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien

MSD und die FVE fördern 34 Veterinärstudenten aus ganz Europa mit Stipendien
FVE
MSD und die FVE fördern 34…
(07. Feb 2025) MSD Tiergesundheit und der Europäische Tierärzteverband (FVE) zeichnen…
ABCD & Boehringer Ingelheim laden zur…
(20. Jan 2025) Das European Advisory Board on Cat Diseases (ABCD)…
International Prize for Biology geht an…
(17. Dez 2024) Senckenberg-Meeresforscherin Dr. Angelika Brandt wurde am 17. Dezember…
Die Superpower von Katzen und Hunden…
(08. Nov 2024) Wir feiern die internationale Woche der Mensch-Tier-Beziehung mit…
MSD & FVE Stipendienprogramm 2024
(17. Okt 2024) MSD Tiergesundheit und FVE stellen 34 Stipendien in…
David Ebmer mit dem Rudolf Ippen…
(10. Okt 2024) Auszeichnung der European Association of Zoo and Wildlife…