Forscher machen Schweineställe fit für die Zukunft

(03.07.2017) Universität Hohenheim und ihre Kooperationspartner erproben Möglichkeiten des Umbaus bestehender Ställe

Mehr Platz, strukturierte Buchten und Einstreu zur Beschäftigung: Die Anforderungen des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes gehen deutlich über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Um sie zu erfüllen, müssen Landwirte ihre Schweineställe umbauen.

Universität Hohenheim Wie das in der Praxis gelingen kann, untersuchen nun Forscher der Universität Hohenheim und ihre Kooperationspartner im Projekt „Label-Fit“. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert es mit knapp 1,4 Mio. Euro. Die Universität Hohenheim erhält davon über 420.000 Euro, was das Vorhaben zu einem Schwergewicht der Forschung macht.

Verbraucher wollen mehr Tierwohl, und das kostet Geld. Um das unter einen Hut zu bringen, kann ein Tierschutzlabel nützlich sein: Die Haltungsbedingungen sind so einerseits für die Verbraucher transparent, und Mehrerlöse für Schweinefleisch unterstützen die Landwirte bei der Finanzierung von Umbauten in den bestehenden Ställen.

Dieser Umbau stellt eine große Herausforderung dar. Wie er vonstatten gehen kann, untersucht nun ein Forschungsteam der Universität Hohenheim gemeinsam mit dem Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg (Landesanstalt für Schweinezucht LSZ), dem Friedrich-Loeffler-Institut Celle, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Fleischproduzenten Vion im Projekt „Label-Fit“.

Erste Zielmarke sind die Kriterien der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes.

Schwanzbeißen als ein Gradmesser für Tierwohl

„Die Tiere sollen mehr Platz bekommen, die Buchten in Komfortliege-, Aktivitäts-, Fress- und Kotbereiche unterteilt werden und reichlich organisches Material zur Beschäftigung zur Verfügung stehen“, erklärt apl. Prof. Dr. Eva Gallmann vom Fachgebiet Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme an der Universität Hohenheim.

Der für das Label ebenfalls vorgeschriebene Verzicht auf das Schwanzkupieren verschafft der Forscherin und ihrem Team einen Gradmesser für den Erfolg der Maßnahmen: „Stress, Langeweile oder unzureichende Haltungs- und Fütterungsbedingungen können zum Beispiel bei den Tieren das sogenannte Schwanzbeißen auslösen, bei dem sie sich gegenseitig attackieren“, so die Expertin. „Unversehrte Schwänze zeigen daher an, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Mehr Platz und Liegekomfort im Stall

An der LSZ in Boxberg baut das Projektteam daher den Stall so um, dass er die Kriterien der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels erfüllt. „Wir testen dabei verschiedene Varianten“, erklärt Svenja Opderbeck, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hohenheim.

„Zum Beispiel variieren wir die Geometrie der Buchten, die Beleuchtung und Liegeflächengestaltung, oder wir schaffen unterschiedliche Temperaturzonen.“

Was die Schweine davon halten, erfahren die Forscherinnen, indem sie das Verhalten der Tiere überwachen. Videoüberwachung und elektronische Ohrmarken geben Aufschluss über Aktivitäts- und Ruheverhalten, Sozialverhalten oder Fressverhalten der Tiere – die Digitalisierung in der Landwirtschaft liefert Daten bei minimaler Beeinträchtigung der Tiere.

„Dazu kommen Stallklimadaten, Daten zur Gesundheit der Schweine, wie etwa die Unversehrtheit ihrer Schwänze, und später die Schlachtdaten“, umreißt Opderbeck das Arbeitsprogramm.

Schweine brauchen Beschäftigungsmaterial

Doch Schweine brauchen auch noch etwas anderes, damit sie sich wohlfühlen: Sie haben ein ausgeprägtes Wühlbedürfnis, sollten also Heu, Stroh oder andere organische Materialien zur Verfügung haben.

Was in welcher Form für diesen Zweck ideal ist und wie dessen Attraktivität durch nutritive oder geruchliche Zusätze gesteigert werden kann, erforschen die Projektpartner Friedrich-Loeffler-Institut, LSZ und Deutscher Tierschutzbund.

Das Beschäftigungsmaterial und die Einstreu im Liegebereich birgt jedoch ein verfahrenstechnisches Problem: Die vorhandenen Entmistungskanäle sind in der Regel auf Flüssigmist ausgerichtet. Die Streu kann aber eine Schwimmschicht auf der Gülleoberfläche bilden und zu Verstopfungen führen.

Flüssigentmistung stellt Herausforderung dar

Bastian Kolb ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim und hat sich des Problems angenommen. Er will technische Verfahren entwickeln und erproben, mit denen auch in Ställen mit sogenannter Flüssigentmistung den Tieren Einstreu angeboten werden kann.

Zunächst an der Universität Hohenheim im Labor, später an den Stallungen der LSZ testet er die Pilotanwendungen. „Wir variieren die Zusammensetzung des Mists und die Betriebsweise der Anlage, also etwa Dauer und Häufigkeit des Einsatzes oder die Leistungsstufe“, berichtet Kolb.

Einen Punkt behält er dabei immer im Blick: „Für das Tierschutzlabel wichtig ist die Nachrüstbarkeit bestehender Anlagen.“



Weitere Meldungen

Mastschweine; Bildquelle: Universität Hohenheim / Lilly Wokel

Schweinehaltung: Weniger Ammoniak-Emissionen aus dem Stall

Projekt mit Beteiligung der Uni Hohenheim zeigt: Auf dem Markt verfügbare, baulich-technische Maßnahmen können Emissionen verringern
Weiterlesen

Georg-August-Universität Göttingen

Virtuelle Stallbesichtigungen machen Schweinehaltung transparent

Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr Tierwohl und Transparenz in der Nutztierhaltung. In den vergangenen Jahren hat die Landwirtschaft zunehmend versucht, zum Beispiel durch Hofführungen transparenter zu werden
Weiterlesen

Universität Hohenheim

Künstliche Intelligenz für mehr Tierwohl im Stall

Das Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg (LSZ) und die Universität Hohenheim erschließen Datenquellen für eine zukunftsfähige Schweinehaltung
Weiterlesen

Eröffnung des Schweineforschungsstalles an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein; Bildquelle: HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Eröffnung des Schweineforschungsstalles an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Zahlreiche hochrangige Ehrengäste haben es sich nicht nehmen lassen, am 31. August 2018 an der Eröffnung und Inbetriebnahme des neuen Schweineforschungsstalles der HBLFA Raumberg-Gumpenstein teilzunehmen
Weiterlesen

Erdwärmetauscher schützen Nutztiere in Stallhaltung am besten vor Hitzestress; Bildquelle: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Erdwärmetauscher schützt Nutztiere im Stall vor Klimawandel am besten

Der Klimawandel wirkt sich ohne Maßnahmen negativ auf die Schweine- und Geflügelhaltung aus. Neben dem Wohlbefinden und der Gesundheit sind auch die tierische Leistungsfähigkeit und damit die Wirtschaftlichkeit betroffen
Weiterlesen

Energieoptimierter Bio-Abferkelstall; Bildquelle: HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Raumberg-Gumpenstein eröffnet "Energieoptimierten Bio-Abferkelstall" an der Außenstelle Thalheim/Wels

Kürzlich wurde der "Energieoptimierte Bio-Abferkelstall" in Thalheim/Wels feierlich eröffnet
Weiterlesen

Feierlicher Spatenstich durch BM Rupprechter, LR Seitinger und zahlreichen hochrangigen Vertretern aus Politik und Landwirtschaft für den neuen Forschungs-Schweinestall an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein; Bildquelle: HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Neubau eines Schweine-Forschungsstalles an der  HBLFA Raumberg-Gumpenstein

An der HBLFA Raumberg-Gumpenstein in Irdning-Donnnersbachtal wird im Frühjahr 2017 der Baubeginn für einen in Österreich einzigartigen Schweine-Forschungsstall sein
Weiterlesen

Forschungsstall zur Verminderung von Ammoniakemissionen ; Bildquelle: Raumberg-Gumpenstein

Forschungsstall zur Verminderung von Ammoniakemissionen

Die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein  erhält vom Land Steiermark einen Forschungsauftrag zur Überprüfung technischer Lösungen zur Verminderung von Ammoniakemissionen aus der Schweinehaltung
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen