Neues Resistenzgen in Deutschland nachgewiesen

(07.01.2016) Forschungsverbund RESET entdeckt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) das übertragbare Colistin-Resistenzgen mcr-1 auch in Deutschland.

Berichte über bakterielle Erreger, die sich nur erschwert mit Antibiotika behandeln lassen, häufen sich in den vergangenen Jahren. Besonders problematisch sind Erreger aus der Familie der Enterobakterien, die gegen eine Vielzahl von antibiotischen Wirkstoffen resistent sind.

Kommt auch noch eine Resistenz gegen Antibiotika der Carbapenemgruppe hinzu, bleiben für die Therapie nur noch wenige Alternativen. Das Polypeptid-Antibiotikum Colistin ist eines der wenigen verbliebenen Antibiotika, das gegen Infektionen mit diesen multi- und Carbapenem-resistenten Erregern aus der Familie der Enterobakterien noch wirkt. Im November 2015 veröffentlichten chinesische Wissenschaftler die Entdeckung eines neuen Resistenzgens.

Bakterien, die das Gen mit dem Namen mcr-1 tragen, werden unempfindlich gegenüber dem Antibiotikum Colistin. Besonders alarmierend ist, dass das neu entdeckte Resistenzgen zwischen verschiedenen Bakterienstämmen übertragbar ist und sich so theoretisch leicht verbreiten könnte.

Der interdisziplinäre Forschungsverbund RESET beschäftigt sich vorrangig mit speziellen Resistenzmechanismen, die bei den Enterobakterien Escherichia coli und Salmonella enterica auftreten. Der Forschungsverbund wird von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover koordiniert.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), insbesondere mit dem DZIF-Standort in Gießen: dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, legten die Projektpartner in unterschiedlichen Studien zur Verbreitung solcher Keime bei Tieren, Lebensmitteln und Menschen eine umfangreiche Sammlung mit Bakterienstämmen an.

Die Informationen zur Herkunft dieser Proben und die Ergebnisse entsprechender Laboruntersuchungen wurden in einer gemeinsamen Datenbank erfasst. Für tiefergehende Analysen sequenzierte das Institut für Medizinische Mikrobiologie in Gießen für eine Auswahl dieser Bakterienstämme das Genom.

Diese Sequenzierungsdaten ermöglichten jetzt den Nachweis des neu entdeckten Resistenzgens mcr-1 in drei Schweine-Isolaten, die ab 2011 gesammelt wurden, sowie in dem multiresistenten Isolat eines Menschen aus dem Jahr 2014. In allen vier mcr-1-tragenden Isolaten fanden die Wissenschaftler zudem weitere Resistenzgene, was die Optionen für eine antibiotische Behandlung noch stärker einschränkt.

Der Forschungsverbund konnte somit erstmalig zeigen, dass das Resistenzgen mcr-1 in Deutschland bei Escherichia coli in Nutztieren sowie im Menschen vorkommt. Aussagen zum Ausmaß der Verbreitung, zu möglichen Übertragungswegen oder zur Richtung der Übertragung (von Mensch auf Tier oder umgekehrt) können damit noch nicht getroffen werden.

Klar ist allerdings, dass dieses Resistenzgen mindestens seit dem Jahr 2011 in Deutschland vorkommt und somit die Möglichkeit einer Übertragung auf den Menschen seit mehreren Jahren besteht. Diese Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler im Fachmagazin "The Lancet Infectious Diseases".

Auch in anderen europäischen Staaten konnte das Resistenzgen bereits nachgewiesen werden. Seit der Erstbeschreibung in China zeigten Analysen verfügbarer Sequenzierungsdaten in Dänemark und England, dass das neue Gen in Datensammlungen zu E. coli- bzw. Salmonella-Stämmen vorkommt, die bis 2012 zurück datieren.

In beiden Ländern wurde auch über Nachweise in Isolaten von Menschen berichtet. Weitere Untersuchungen in Deutschland wie auch in anderen Ländern sind erforderlich, um abschätzen zu können, seit wann dieses Resistenzgen vorkommt und in welchem Umfang es bei Bakterien von Menschen und Tieren verbreitet ist. Dies ist wichtig, um Aufschluss über das Ausmaß der Problematik zu erlangen.

Der Forschungsverbund RESET wie auch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Publikation

Presence of plasmid-encoded colistin resistance mediated by mcr-1 in extended spectrum β-lactamase- and carbapenem-producing Gram-negative isolates from animal and human populations in Germany Falgenhauer L, Waezsada SE, Yao Y, Imirzalioglu C, Käsbohrer A, Roesler U, Brenner Michael G, Schwarz S, Werner G, Kreienbrock L, Chakraborty T for the RESET consortium.
The Lancet Infectious Diseases, Correspondence





Weitere Meldungen

Professor Dr. Klaus Osterrieder wird neuer TiHo-Präsident; Bildquelle: Daniel Möller

Professor Dr. Klaus Osterrieder wird neuer TiHo-Präsident

Der Virologe Professor Dr. Klaus Osterrieder tritt zum 1. April 2024 sein neues Amt als Präsident der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) an
Weiterlesen

Seehund-Laus; Bildquelle: Anika Preuss

Seehund-Läuse sind Königinnen des Klammerns

Forschende der Uni Kiel entschlüsseln überlegene Haltekräfte der Seehund-Laus, ein obligater Ecktoparasit, unter extremen Bedingungen im Meer
Weiterlesen

Im Januar fand das Kick-off-Meeting für das Projekt statt: (v.l.n.r.) Clemens Hollah, Dr. Alexandra Rath, Dr. Nils Grabowski, Dr. Cornelia Schwennen, Janos-Istvan Petrusan, Dr. Jan Berend Lingens, Professor Dr. Arm Abd El-Wahab, Professor Dr. Christian Visscher, und Dr. Kashif ur Rehman. Es fehlt Professorin Dr. Madeleine Plötz ; Bildquelle: tiho

Hunde- und Katzenfutter aus Paludikultur

In einem Kooperationsprojekt arbeiten Forschende der TiHo und des DIL – Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik daran, einen nachhaltigen Kreislauf zu entwickeln, in dem Pflanzenteile aus renaturierten Mooren zu Hunde- und Katzenfutter verarbeitet werden
Weiterlesen

Schweinswal-Gruben-Hypothese; Bildquelle: chneider von Deimling, Hoffmann, Geersen et al. (2023), Commun Earth Environ

Rätselhafte Gruben im Ozean: Interdisziplinärer Ansatz führt zur Schweinswal-Gruben-Hypothese

Der Meeresboden in der Nordsee ist übersät mit Tausenden von kraterartigen Vertiefungen im Sediment, den so genannten Pockmarks. Weltweit gibt es vermutlich Millionen von ihnen
Weiterlesen

TiHo

Train the Teacher: Kostenloses Online-Angebot der TiHo für Tierärztinnen und Tierärzte, die Praktika für Studierende anbieten

Tierärztinnen und Tierärzte, die Praktika für Studierende anbieten, müssen künftig nachweisen, dass sie einmalig vier Stunden an einer didaktischen Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen haben
Weiterlesen

TiHo

Keine Winterpause für Zecken in Deutschland

Arbeiten des Instituts für Parasitologie der TiHo zeigen, dass Zecken in Deutschland auch im Winter aktiv sind.  
Weiterlesen

Journal of Veterinary Internal Medicine

Einheitliche Richtlinien zur Notfallbehandlung von epileptischen Anfällen bei Hunden und Katze festgelegt

Gremium internationaler Expertinnen und Experten veröffentlicht erstmals internationale Konsenserklärung
Weiterlesen

Observer im Flugzeug; Bildquelle: Nino Pierantonio

Aktuelle Zählungen: 1,4 Millionen Wale, Delfine und Schweinswale im europäischen Atlantik

Ein internationales Forschungsteam stellte Ergebnisse des bisher umfangreichsten Projekts zu Populationsgrößen und zur Verteilung von Kleinwalen in der Nordsee, Ostsee und angrenzenden Gewässern des europäischen Atlantiks vor
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen