Europäische Frühlingstemperaturen begünstigen die Vitalität des Alpensteinbocks

(17.12.2013) Der Klimawandel scheint dem Alpensteinbock gut zu tun: Höhere Frühlingstemperaturen, frühere Schneeschmelze und damit ein verbessertes Nahrungsangebot begünstigen das Hornwachstum, ein Indiz für Vitalität.

Diese Zusammenhänge hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Ulf Büntgen und Kurt Bollmann an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in einer Analyse dargestellt, die auf einer Datensammlung des Amtes für Jagd und Fischerei Graubünden (Schweiz) beruht.


Der jährliche Zuwachs am Horn des Alpensteinbocks ist anhand der Jahrringgrenzen gut sichtbar. Das Hornwachstum ist ein Indikator für die Lebensbedingungen des einzelnen Tieres

Die Ergebnisse einer Studie über den Alpensteinbock, welche am 16. Dezember 2013 in einem Artikel der renommierten Fachzeitschrift "Ecology Letters" veröffentlicht wurde, verdeutlichen erstmals den Zusammenhang zwischen grossräumigen Klimabedingungen und lokalen Nahrungsketten. Die Resultate zeigen, dass der "König der Berge" vom Klimawandel profitieren kann.

Methodik aus der Jahrringforschung

Zum ersten Mal wendete eine interdisziplinäre Forschergruppe bestehend aus Biologen, Klimatologen und Ökologen aus der Schweiz, Norwegen und den USA die Methoden der Jahrringforschung (Dendrochronologie) für die Analyse von jährlichen Hornzuwachsraten beim Alpensteinbock (Capra ibex) an.

Dabei wurde der Effekt des Klimas auf das Hornwachstum unabhängig vom Abschussjahr und Alter der Tiere untersucht. Die Resultate zeigen, dass das Hornwachstum vor allem durch Veränderungen der europäischen Frühlingstemperatur bestimmt wird.


Als ehemals ausgestorbene Art gehört der "König der Berge" zu den geschützten Tierarten der Schweiz, wird aber in seinem Bestand seit 1977 jagdlich reguliert

Die Analyse von acht Steinbock-Populationen in den Bündner Alpen weist nach, dass die „Nordatlantische Oszillation“, die das Winterwetter in Europa beeinflusst, eine Art synchronisierende Wirkung auf den jährlichen Zuwachs der Hörnern der an unterschiedlichen Orten und Höhenlagen lebenden Steinböcke ausübt.

Höhere Temperaturen zwischen März und Mai resultieren in einer früheren Schneeschmelze und einem besseren Nahrungsangebot. Qualität und Quantität alpiner Gräser und Kräuter sind schlussendlich für das Wachstum und die Vitalität des Alpensteinbocks verantwortlich.

Über 8000 Steinböcke untersucht

Die Wissenschaftler untersuchten mehr als 42.000 individuelle Hornzuwächse von über 8.000 Steinböcken. Dies wurde durch eine einzigartige Datensammlung ermöglicht, die lückenlos bis ins Jahr 1964 zurückreicht.

Sie ist das Ergebnis der durch das Kantonale Amt für Jagd und Fischerei in Chur streng kontrollierten jagdlichen Nutzung. "Der Steinbock ist eine geschützte Art. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Jagd streng kontrolliert, aber auch gut dokumentiert wird", erläutert Wildbiologin Lucie Greuter vom zuständigen Amt.

Seit der Wiederaufnahme der Steinbockjagd sind im Kanton Graubünden über 20‘000 Tiere erlegt worden. Jedes einzelne davon wurde von den Wildhütern genau vermessen, die Daten danach digital erfasst. "Der so entstandene Datensatz ermöglicht einmalige Einblicke in den Zusammenhang zwischen den grossräumigen Klimabedingungen, der Nahrungsverfügbarkeit und der Vitalität der Tiere", erklärt Ulf Büntgen, Leiter der Studie.

Gleichzeitig machen die Autoren der Studie auf die Komplexität der Beziehungen zwischen Steinbockvitalität und Klimavariabilität sowie weiteren Einflussfaktoren aufmerksam. Um den Informationsgehalt der Bündner Steinbockdaten vollständig zu erfassen, sind zusätzliche Analysen und Forschungsprojekte nötig.

So merkt Kurt Bollmann, Wildtierbiologe an der WSL und Mitautor der Studie, an: "Obwohl wir in dieser Studie bisher keine deutlichen Hinweise auf eine jagdliche Beeinflussung des Hornwachstums gefunden haben, wird in weiteren Analysen untersucht, ob und wie sich allenfalls die Bejagung der Tiere auf die Altersstruktur der Steinbockpopulationen und die Entwicklung der Hörner auswirkt."



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