Machbarkeitsstudie zeigt, dass Tollwut in Afrika beseitigt werden kann
(27.12.2017) Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut hat zusammen mit europäischen und afrikanischen Partnern eine Massenimpfung von Hunden im Tschad durchgeführt und die Auswirkungen von Tollwut auf Menschen bestimmt.
Dabei wurde eine bio-mathematische Methode zur Einschätzung der Übertragungsdynamik von Tollwut angewendet. Das Forschungsteam kommt zum Schluss, dass eine wirksame Tollwutbekämpfung mit dem politischen Willen und den notwendigen finanziellen Mitteln in Afrika machbar ist.
Tollwut ist eine Viruserkrankung, die jedes
Jahr Zehntausenden von Menschen das Leben kostet, vor allem in Afrika
und Asien. Die Krankheit wird durch Bisse von infizierten Hunden und
Füchsen übertragen.
Impfkampagne 2013 im Tschad mit Swiss TPH und Partnern.
In West- und Mitteleuropa wurde die Tollwut vor etwa 20 Jahren ausgerottet. Die Schweiz gilt seit 1999 als tollwutfrei, die Hauptstrategie richtete sich gegen Füchse.
«Wenn man verhindern will, dass Menschen in Afrika und Asien an Tollwut sterben, muss man die Tollwut bei Hunden beseitigen», sagt Jakob Zinsstag vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH). Er ist Erstautor und Leiter einer Studie in der Fachzeitschrift «Science Translational Medicine».
Das Swiss TPH hat in einer Machbarkeitsstudie zusammen mit Partnern in Europa und Afrika nachgewiesen, dass Tollwut in Afrika eliminiert werden kann. «Wir konnten zeigen, dass afrikanische Teams in einem der ärmsten Länder der Welt menschliche Tollwut durch Massenimpfung von Hunden beseitigen können.
Was als Nächstes dazu benötigt wird, sind zusätzliche finanzielle Mittel und ein konzertierter politischer Wille», so Zinsstag, Epidemiologe und Veterinär-Gesundheitsexperte.
Die Untersuchung wurde in der tschadischen Hauptstadt NDjamena durchgeführt, in der 1,1 Millionen Menschen und rund 30000 Hunde leben. 2012 und 2013 wurden jährlich 20000 Hunde gegen Tollwut geimpft, über 65 Prozent der geschätzten Hundepopulation vor Ort. «Eine hervorragende Deckungsrate», so Zinsstag: «Wir mobilisierten die Chiefs in der Nachbarschaft und diese wiederum mobilisierten die Leute und deren Hunde.»
Mustergültige afrikanisch-europäische Zusammenarbeit
Das Swiss TPH ist ein weltweit führendes Institut auf dem Gebiet der Gesundheit von Mensch und Tier zunehmend bekannt als «One Health» und unterhält seit den 1990er-Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Tschad.
Für die Studie arbeitete das Swiss TPH mit einer öffentlich-privaten Partnerschaft im Tschad zusammen, dem Centre de Support en Santé Internationale (CSSI) und dem nationalen Institut de recherche en élevage pour le développement (IRED). Beteiligt war ausserdem das Laboratoire Central Vétérinaire (LCV) in Bamako, Mali.
Für die genetischen Analysen der gesammelten Tollwutviren wurde das Swiss TPH von der ETH Zürich in Basel und dem Institut Pasteur in Paris unterstützt. Vom Swiss TPH war ein interdisziplinäres Team mit Kompetenzen in molekularer Diagnostik, mathematischer Modellierung und veterinärmedizinischer Epidemiologie im Einsatz.
«Die mathematische Modellierung zeigt, dass die Fortpflanzungszahl, also die Anzahl der Sekundärinfektionen bei einem mit Tollwut infizierten Hund, unter eins fällt und folglich die Übertragung unterbrochen wird. Die molekulare Analyse zeigt, dass die zirkulierenden Stämme verschwinden», erklären Zinsstag und Nakul Chitnis, Co-Forscher des Swiss TPH.
Weitere Erkenntnisse dank der Phylodynamik
Die Studie ist eines der ersten Forschungsprojekte, das eine rigorose phylodynamische Methode bei der Tollwut anwendet und somit die normative Phylogenetik (die sich mit der genetischen Verwandtschaft von Virusstämmen beschäftigt) erweitert, indem sie sich zusätzlich mit der Dynamik der Übertragung über Zeit befasst. Dies ermöglichte es, die Reproduktionszahl der Tollwut bei Hunden nach der ersten Massenimpfung im Jahr 2012 zu berechnen.
«Die Tollwut bei Hunden wurde wahrscheinlich durch den Import von Hunden durch Menschen von ausserhalb NDjamenas wieder eingeführt, nachdem sie beseitigt worden war», erklärt Zinsstag.
Die phylogenetische Analyse unterstützt diesen
Befund, da die Nukleoproteinsequenz der neuen Viren eine andere
genetische Struktur aufwies. «Die molekulare Methode hat die Ergebnisse
des mathematischen Modells durch einen unabhängigen Ansatz ermittelt»,
so Zinsstag.
«Die Bekämpfung der Tollwut ist deshalb kein technisches Problem, sondern eine Frage des politischen Willens und ausreichender finanzieller Ressourcen.»
Die Studie wurde von der UBS Optimus Foundation in der Schweiz finanziell unterstützt (Impfstoff, epidemiologische Feldforschung und Laboruntersuchungen). Die tschadische Regierung kam für Logistik und Personal auf.
Auf dem Weg zur Abschaffung der Tollwut in Zentral- und Westafrika
Die Eliminierung der durch Hunde übertragenen Tollwut bis 2030 ist eines der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals). «Es wird eine gewaltige Herausforderung sein, dieses Ziel zu erreichen, aber wir können verhindern, dass Menschen an Tollwut sterben, die von Hunden übertragen wird», sagt Zinsstag.
«Unsere Studie liefert der Global Alliance for Rabies Control (GARC) und dem Pan-african Rabies Control Network (PARACON) den wichtigen Machbarkeitsnachweis, dass die Tollwut in Afrika beseitigt werden kann.»
Als nächsten Schritt
planen das Swiss TPH und seine Partner, die Massenimpfung von Hunden
gegen Tollwut im Tschad auszuweiten. «Wir haben errechnet, dass die
Tollwut im ganzen Land mit 28 Millionen Euro beseitigt werden könnte.
Eine wichtige Herausforderung ist jedoch die Migration: Sobald der Tschad frei von Tollwut ist, könnte die Krankheit aus Nachbarländern wie Kamerun und Sudan wieder eingeschleppt werden.
Wir brauchen daher einen konzertierten Ansatz in Zentral- und Westafrika, der von der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten ECOWAS und der Afrikanischen Union angeführt wird. Dies würde einen zusätzlichen Vorteil bringen die Förderung des Friedens durch Kooperation.»
Zinsstag schätzt, dass sich die Kosten für eine erfolgreiche Bekämpfung der Tollwut in Zentral- und Westafrika über einen Zeitraum von 20 Jahren auf etwa 1 Milliarden Euro belaufen würden.